Die Zeitung am Bildschirm lesen Eine Zeitung ist ein Bündel Papier, das man herumtragen und irgendwo mit ausgebreiteten Armen lesen kann; man ist nicht an einen Ort gebunden. Das Zeitungsformat ist auch Musterbeispiel an Handlichkeit; man lese einmal bei leichtem Wind. Das Zeitungslesen am Bildschirm braucht die geeigneten Geräte inkl. Internetanschluss. Diese beiden Möglichkeiten des hochtrabend so genannten Informationsmanagements haben beide ihre Vor- und Nachteile. Wenn aber ein mit dem Netz verbundener Computer in Greifnähe ist, ziehe ich diesen unbedingt vor, speichere wesentliche Texte und kann sie später ohne weiteres mit verschiedenen Suchfunktionen wieder finden. Meines Erachtens werden die Vorteile des digitalen Zeitungslesens unterschätzt. Man ist zwar nicht mehr ortsunabhängig, wenn man die Sache nicht via Mobiltelefonie löst, doch ist man zeitungsunabhängig. Wie in einem Kiosk kann man Berichte und Kommentare aus Tausenden von Zeitungen auswählen, ohne daran erinnert zu werden, man dürfe hier nicht lesen ohne zu kaufen. Noch nie in meinem auf Informationsbeschaffung ausgerichteten Journalistenleben in der Nähe von Telexgeräten, Radioapparaten und Briefbergen war es mir möglich, mein eigenes Weltbild aus solch einer Riesenmenge von Informationen unterschiedlicher Herkunft zusammenzusetzen. Ich bin nicht mehr auf westliche (amerikanisch dominierte) Quellen (www.cnn.com und alle die Mitläufer) beschränkt, kann nachlesen, was die staatliche russische Agentur RIAN-Novosti (www.rian.ru ) zur Lage sagt (sie hat auch einen deutschsprachigen Dienst), kann mich bei www.europeaninternet.com/china/ (englisch) informieren. In den meisten Ländern gibt es englischsprachige Online-Zeitungen. Zu Informationen über Pakistan z.B. kommt der Internet-Nutzer am einfachsten über die Adresse www.paknews.com, ein professionell gemachtes, übersichtlich präsentiertes und aktuelles, allerdings regierungsnahes Informationsangebot in englischer Sprache, das seit 1991 zu haben ist: Neues, Berichte, Interviews, Analysen. Über Japan, dem Land mit den auflagestärksten Zeitungen der Welt, kann man sich z.B. durch den Eintritt ins Portale der grössten Tageszeitung informieren: "Mainichi Shimbun" (www.mainichi.co.jp), die einen englischsprachigen Ableger hat (Link am linken Rand der Homepage). Einen guten, ständig aktualisierten Überblick über wichtige Zeitungen aus aller Welt vermittelt www.netzzeitung.de. Ein exzellentes Angebot hält insbesondere www.spiegel.de bereit, inklusive teilweise exzellente Kommentare. |
Die "FAZ" (www.faz.de) stellt nur einen Teil ihres Schaffens gratis ins Netz; der Rest ist nur Abonnenten zugänglich. In der Schweiz kann man die Tagesausgabe der "NZZ" (www.nzz.ch) lesen (den Gratis-Rückgriff auf alle Zeitungen der letzten 30 Tage gibt es nicht mehr; das Archiv ist kostenpflichtig). Es gibt auch Regional- und Lokalzeitungen mit gutem Angebot im Netz, so etwa die "Basler Zeitung" (www.baz.ch), die "Aargauer Zeitung" (www.azonline.ch), die alles geben und sich spendabel zeigen, auch in Bezug auf die Archivnutzung. Die neuen Medienportale zeichnen sich durch Interaktivität, individuelle, zeitgerechte Angebote und eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit aus. Sie nutzen die modernen Instrumente zunehmend, um Leser, Zuhörer, Zuschauer und Kunden stärker an sich zu binden, neue Potenziale zu erschliessen und neue Medienwelten zu erschaffen. Die beziehen sich nicht allein auf das gedruckt Vorliegende, sondern bieten auch Aktualitäten. Sie machen von den Radio- und Fernsehnachrichten unabhängig; die letzteren sind auf das zugeschnitten, was sich bildhaft umsetzen lässt und damit für eine einigermassen umfassende Information weitgehend wertlos. Wie am Beispiel "NZZ" dargelegt, werden die Gratisschlemmerfeste im Nachrichtenbereich allmählich kostenpflichtig. Die hohen Investitionen und dauernden Betriebskosten sind über die Online-Werbung nicht zu kompensieren. Ich empfehle den Freunden unseres virtuellen, weitgehend auf den Umgang mit Buchstaben ausgerichteten Unternehmens, vom noch üppig gedeckten Informationsbuffet abzuschneiden, was noch immer à discrétion geboten wird. Der gedeckte Tisch wird mit der Zeit weniger reich gedeckt, genau wie bei den gedruckten Gratis-Zeitungen auch. Falls Sie in den Bereich der schönen Literatur abschweifen möchten, loggen Sie sich bei http://gutenberg.spiegel.de ein: Hier finden sie über 10'000 Gedichte, 1000 Romane und Novellen, unzählige Märchen, Fabeln und Sagen von über 350 Autoren. Sie können kostenlos in diesem grössten deutschen Literatur-Archiv lesen. Es empfiehlt sich, die Dichter und Schreiber nicht nur zu feiern, sondern ihre Arbeiten zu lesen. Das Schreiben hat nur einen Sinn, so lange es noch Leser gibt. Walter Hess |