3 Jahre Textatelier.com
Ist das eine lange Zeit? Nach heutigen Massstäben wahrscheinlich schon. Am 1. Juli 2004 ist das Bibersteiner Textatelier.com ins 4. Jahr seines Bestehens gestartet. Für zusätzlichen Elan hatten im 3. Jahr des Bestehens die Gründung der „Verlag Textatelier.com GmbH“ und des „Blogateliers“ gesorgt. In einem Jahr kann sich vieles ereignen, vielleicht gerade weil die Zeit so schnelllebig geworden ist.
Verlagsaktivitäten
Am 1. Mai 2005 ist das 1. Verlagsobjekt, das Buch „Kontrapunkte zur Einheitswelt“, erschienen; in den ersten Wochen wurde bereits ein wesentlicher Teil der Auflage abgesetzt. Einige begeisterte Leser bestellten das Buch in grösseren Mengen, um ihre Bekannten damit zu beschenken. Prof. Dr. Hans Letsch, alt Ständerat Aarau, und ehemaliger Chef der Finanzverwaltung des Kantons Aargau sowie Generalsekretär des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements und Titularprofessor an der Hochschule St. Gallen, der sich je für Freiheit (Eigenständigkeit) und Verantwortung einsetzte und einsetzt, schrieb mir dazu: „In Ihrem Buch sprechen Sie nicht nur zentrale Fragen der Gegenwart und Zukunft, sondern ebenso Probleme an, die mich persönlich ebenfalls beschäftigen. Ich danke Ihnen dafür und beglückwünsche Sie sowie Ihren Mitautor (Fernand Rausser) zu dieser mutigen und wegweisenden Analyse. Wir brauchen in unserer Zeit und in unserer vom Drang zur Einheitswelt besessenen Gesellschaft solche Kontrapunkte.“ Die bisher eingegangenen Kommentare füllen bereits einige A4-Seiten. Danke!
Die 2 weiteren Werke werden am 15. September 2005 gedruckt vorliegen:
- „Richtig gut einkaufen. Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“ von Heinz Scholz.
- „Bözberg West. Landleben zwischen Basel und Zürich“ von Heiner Keller.
Auf diese beiden Werke, die soeben von Urs Walter professionell gestaltet werden, freue ich mich aus guten Gründen:
Der von Sabine Hofkunst Schroer illustrierte Lebensmittelführer ist trotz des Faktenreichtums ein angenehm lesbares Buch mit dem Charakter eines übersichtlichen Nachschlagewerks. Die Wissenschaftlichkeit ist ohne die Sicht beengende Scheuklappen und durch den Einbezug von Zitaten und Anekdoten angenehm aufgelockert und eingefärbt. So erfüllt das Scholz-Buch die Voraussetzungen nach exakter und verständlicher Darstellung von komplexen Sachverhalten, ohne dadurch trocken und distanziert zu wirken: Es ist aus dem Leben gegriffen und für den Alltag geschrieben und berücksichtigt gesundheitliche Zusammenhänge. Das Ernährungswissen, das hier im Detail und im Überblick vermittelt wird, ist die Grundlage für die Gesundheit und damit für Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit.
Das Buch „Bözberg West“ seinerseits setzt in der Kulturgeschichtsschreibung neue Massstäbe: Das Leben in jener verhältnismässig idyllisch gebliebenen und wenig bekannten Region wird im erd- und kulturgeschichtlichen Kontext beschrieben. Die regionstypischen Aspekte werden vom Insider Keller minuziös mit Bezügen zum ökologischen, historischen und kulturellen Umfeld in einer engagierten Art dargestellt. Sie werden dadurch zu Sinnbildern, die auf alle ähnlich gelagerten ländlichen Gebiete, die zwischen Entwicklungseuphorie und Ruhebedürfnis schwanken, übertragen werden können. Der Autor beobachtet, beschreibt, bezieht Stellung, lobt und kritisiert, auf dass die weitere Entwicklung des Lebensraums mit der gebührenden Einfühlsamkeit geschehen und nicht blindlings erfolgen möge. Er schüttet ein Füllhorn von Wissen aus, an dem sich die Leser gütlich tun können. Ein vergnügtes Schmunzeln ist bei der Lektüre ebenso wenig zu umgehen wie ein kritisches Hinterfragen unseres eigenen Verhaltens.
Blogaktivitäten
Zu einem unerwarteten Erfolg in jeder Hinsicht ist das am 24. Dezember 2004 versuchsweise gestartete Blogatelier geworden. Die Bloggerinnen und Blogger, eigenwillige und originelle Denker mit publizistisch-literarischem Anspruch, wählen ihre Themen nach Lust und Laune aus und bestimmen, was sie wie wann und wie lang schreiben wollen. Es gab noch keinen Tag, an dem nicht ein neues Blog ins Netz kam, manchmal waren es 2 oder gar 3.
Blogs sind eine andere journalistische Form: Sie halten sich nicht an Distanziertheit, nicht an publizistische Regeln aus dem angelsächsischen Raum (wie das Leadsystem, dem Schreiben mit abnehmender Wichtigkeit wegen der besseren Kürzbarkeit und zur Leservertreibung), sondern sie beschreiben das Leben wie es ist, erzählen in einer unverkünstelten Sprache. Die Befreiung von publizistischen Zwängen wirkt für die Schreiber entkrampfend und inspirierend; es verhilft dem Leser zu einer unmittelbaren Nähe zum Autor, der in der Ich-Form schreibt (siehe dazu Blog vom 6. Februar 2005: „Die unsägliche Mühe mit der Ich-Form“).
Im Journalismus, wie er in Medienausbildungszentren indoktriniert wird, hat diese Deklaration des persönlichen Wahrnehmens nichts zu suchen; die Autoren geben sich distanziert, rein der Sache verpflichtet und tun so, als ob dies mit Objektivität zu tun hätte. Der zunehmend beschränkte Platz für Geschriebenes diktiert die Form und verhindert Inhalt. Dabei ist in Gottesnamen alles auf dieser Welt – und mag sie sich noch so sehr uniformieren – subjektiv, und dazu hat man zu stehen. Die Komplexität des Lebens lässt sich nicht auf Schlagwörter einengen, vor allem dann nicht, wenn man etwas genauer hinschaut, was man eigentlich immer tun sollte.
Subjektivität: Das Bloggen (Tagebuchschreiben und -publizieren aus der persönlichen Perspektive) könnte als eine Form der Selbstdarstellung missdeutet werden, weil man seine eigenen Beobachtungen, Gedanken und Erkenntnisse aus der eigenen speziellen Position heraus weitergibt. Doch geschieht die Weitergabe von Persönlich-Allzupersönlichem im Blogatelier niemals, um sich selber in den Vordergrund zu stellen, sondern aus dem Bedürfnis heraus, exakt und aus erster Hand zu berichterstatten. Es ist ähnlich wie bei den meisten Romanen, deren Inhalte vor allem das Wesen und Leben des Autors mit all seinen Erfahrungen weitertragen. Die menschliche Phantasie ist meistens zu beschränkt, um selbst das, was ein normaler Alltag an Konstellationen und Ereignissen bietet, zu erfinden. Im Zurechtbiegen und beim Bemühen, die Ereignisfolge verdichtend auf den gewünschten Punkt zu bringen, sind wir dann wesentlich talentierter.
Beim Lesen des meisterhaften Blogs „Bitte wieder ein bisschen mehr Charles Dickens!“ von Emil Baschnonga habe ich meine leicht angegilbte Goldmann-Doppelausgabe „David Copperfield“ aus der Bibliothek genommen. Dickens beginnt dieses Riesenwerk über die Entwicklungsgeschichte des Knaben David, die stark autobiografische Züge trägt, in der Übersetzung von Richard Zoozmann so: „Ob ich schliesslich der Held meines eigenen Lebens werde oder ob jemand anders diese Stelle einnehmen wird, das sollen diese Blätter zeigen. Um mit dem Anfang meines Lebens zu beginnen, berichte ich, dass ich (wie man mir später erzählt hat und wie ich auch glaube) an einem Freitag um 12 Uhr nachts geboren bin. Wie man sagt, fing zu gleicher Zeit die Uhr zu schlagen und ich zu schreien an.“
Da kam etwas viel zusammen. Doch solch exakte Schilderungen aus zugetragenem Wissen, eigenem Erleben und gelegentlichem Zuspitzen sprechen an, vertreiben die Langeweile. Sie machen eine Person lebendig. Mit der Zeit lernt man sie kennen. Denn wer immer etwas schreibt oder anderweitig berichtet, stellt sich durch die Art seines Mitteilens, durch den Inhalt seiner Botschaft und seine Sprache (Ausdrucksweise) zuerst einmal selber dar. Je mehr man von einer Person liest, desto mehr erfährt man über sie und umso besser kennt man sie mit der Zeit. Für die betreffende Person ist das ebenso eine Chance wie eine Gefahr: Je nach Position und Konstitution des Empfängers wird er begeistert sein, etwas unberührt auf sich einwirken lassen oder auf Distanz gehen. Vielleicht zerbrechen viele Partnerschaften und Ehen daran, dass man sich mit der Zeit zu gut kennt, zu viel über einander weiss und sich dadurch auf die Nerven geht. Auch der umgekehrte Fall ist möglich: Weil man sich gut kennt, entwickeln sich Verständnis und Toleranz für die Schwächen und Eigenarten des Partners, und man rechnet die als positiv empfundenen Seiten gegen das auf, was als Nachteil empfunden wird. Hoffen wir auf eine positive Bilanz.
Wer sozusagen ins Blaue hinaus schreibt, wie das im Internet üblich und nicht anders möglich ist, geht somit entsprechende Risiken ein. Und dennoch ist es trotz all dieser Gefahren eine faszinierende Sache: Durch den Prozess des Schreibens, des Aneinanderreihens von Gedanke an Gedanke, von Satz an Satz, spielt sich beim Autor ein Prozess der Erkenntnis ab – das ist auch hier und gerade jetzt so. Dabei ist es ein gutes und beflügelndes Gefühl zu wissen, dass es Menschen gibt, die gern an solchen Gedanken teilhaben, weil sie vielleicht für ihre persönliche Lebenshaltung einen wertvollen Impuls erhalten oder einfach, weil es für sie ein Erkenntnisgewinn ist: „Ja, das habe ich auch schon erlebt, und jetzt wird mir vieles klar.“
Wer für die Schublade schreibt – auch das könnte man tun –, dem ist die Chance genommen, irgendwo anzukommen und gar eine Antwort zu erhalten. Wer in einem einsamen Kämmerlein oder unter einem saftigen Nussbaum schreibt, wie ich das gerade jetzt tue, sucht weniger den Applaus wie der Künstler, der auf der Bühne höchstpersönlich im Rampenlicht steht oder der Politiker, der vor Gesinnungsfreunden eine pathetische Rede hält. Der einsame Schreiber ist dankbar für Rückmeldungen, die ihm beweisen, dass seine Schriftstücke beachtet und gelesen werden. Und wenn diese dann noch Gedanken und Impulse enthalten, die ihn weiterbringen, sind das die höchsten der Gefühle.
Ich habe das schon bei meiner publizistischen Tätigkeit bei Zeitungen und Zeitschriften immer wieder erfahren dürfen: Es waren die Leser, die mich mit ihren Einwänden, Anregungen und Fragen weitergebracht haben. Viele haben mit Dokumenten alimentiert, die mir sonst unzugänglich gewesen wären, weil ich von ihrer Existenz nichts wusste. Das ist auch heute noch der Fall. Viele Menschen, die ihre alten Zeitschriften und Archive entrümpeln, denken an mich und vermuten, vielleicht könne ich mit dem Material noch etwas anfangen. Meistens trifft das zu. Ein treuer Leser, Bernhard Tritschler aus CH 4125 Riehen, hat mit vor wenigen Wochen eine Schachtel voll etwa 50 Jahre alter „kosmos“-Zeitschriften gebracht. Ihr Papier ist spröde geworden; doch staunte ich, wie gründlich die Themen damals noch behandelt wurden und wie viel Wert auf sorgfältige Illustrationen gelegt wurde. Was von interessierten Menschen aussortiert und aufbewahrt wurde, befindet sich bereits auf einer höheren Qualitätsstufe, und wie bei einem guten gehaltvollen Wein adelt eine gewisse Lagerung (Alterung) den Inhalt; es treten Aromen hervor, die in jungen Jahren nicht zu verspüren waren.
Und so werden vielleicht viele oder gar alle Blogs, wenn man sie aus zeitlicher Distanz wieder lesen wird, neue kulturhistorisch bedeutsame Qualitäten hervorbringen. Das wäre schön.
Wenn man bestohlen wird
Vielleicht werden jene Blogs zitierend übernommen oder illegal ausgebeutet. Es fällt niemand ein, Schund zu stehlen und/oder zu fälschen. Fälscher wenden sich lieber einer Rolex als einer Billiguhr zu. In dem Sinne ist es ein Kompliment, zu einem Basisobjekt für ein Plagiat zu werden. Und auch ein solches gehört zur Geschichte des Textateliers.com. Ich verweise dazu auf den nachfolgenden ausführlichen Artikel.
Der Name Textatelier ist von mir vor bald 4 Jahren kreiert werden, die Folge einer spontanen Eingebung. Wir sicherten nur URL www.textatelier.com, nicht aber auch Endungen mit Nationalbezug wie .de, .ch, .at. Diese sind inzwischen alle anderweitig belegt, wogegen nichts einzuwenden ist – unser Name und unsere Idee hat Schule gemacht.
Wir haben keine Konkurrenzängste, denn unsere Leistungen und die Fülle unseres Internet-Auftritts sind nicht kopierbar. So wird unser Textatelier eine einzigartige Institution mit den Attributen des Besonderen und der Qualität bleiben – eine Verlockung für Diebe, die aus Mangel an eigenen Einfällen und fehlender Leistungsbereitschaft zu stehlen gezwungen sind.
Walter Hess