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BLOG vom: 02.11.2006

Südtirol-Reise 4: Der Pferdefant (Rüsselpferd) von Brixen

Autor: Heinz Scholz, Schopfheim D
 
Nach Publikation von 3 Folgen meiner Südtirolreise möchte ich über einige Sehenswürdigkeiten in dieser faszinierenden Region berichten. Die Provinzen Bozen und Trient gehören zu Trentino-Südtirol, die Autonome Region in Norditalien. Der nördliche Teil wird auch als Deutsch-Südtirol bezeichnet.
 
Der Name Südtirol wurde im 20. Jahrhundert geprägt. Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte dieser Landesteil zum österreichischen Tirol. 1919 wurde das Südtirol auf „Befehl“ der Siegermächte von Italien annektiert. Die damaligen Siegermächte wollten erreichen, dass sich das neutrale Italien ihnen anschliesst. Nach der Machtergreifung durch die Faschisten 1922 wurde von der italienischen Seite das österreichische Kulturgut in den Hintergrund gedrängt.
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die verhandelte Autonomie nur teilweise umgesetzt, es folgte eine starke Einwanderung aus den südlichen armen Provinzen Italiens. Die deutschsprachige Bevölkerung protestierte meist friedlich gegen diese Politik. Es kam auch zu einem bewaffneten Widerstandskampf. Es gab unter der Parole „Los von Rom“ einige Sprengstoffanschläge auf Stromleitungsmasten und andere Einrichtungen. Die Italiener sahen den „Kampf“ als terroristische Bedrohung an. Sie fassten die Aufständischen und verurteilten diese. Dann wurde eine diplomatische Lösung gefunden. „Dank der Intervention Österreichs vor dem Rat der UN und der tatkräftigen, wenn auch langwierigen Umsetzung durch den italienischen Staat, geniesst das Land eine weitgehende Autonomie und konnte sich zu einer der reichsten Regionen in ganz Europa entwickeln“ (zitiert nach Wikipedia).
 
Ich sprach während meines Aufenthalts mit einigen Südtirolern. Die meisten befürworteten die heutige Situation. Nur wenige trauern den alten Zeiten nach, obwohl das Südtirol heute eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten hat. Die Gesamtarbeitslosenzahl beträgt 2,7 % (Männer: 2,2 %, Frauen: 3,3 %). Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt 34 000 Euro. Damit ist Südtirol die reichste Provinz in Italien und steht unter allen europäischen Regionen auf Platz 8. Die Haupteinnahmequelle ist der Tourismus. 10 % aller in der EU angebauten Äpfel kommen aus Südtirol. Das entspricht 2 % der Weltproduktion.
 
Man spricht überwiegend Deutsch
Von den 482 000 Einwohnern Südtirols sprechen 69,15 % deutsch, 26,47 % italienisch und 4,37 % ladinisch. Italienisch wird überwiegend in und um Bozen gesprochen. Die ladinische Sprache ist in den Dolomitentälern vorherrschend. Diese Sprache ist mit dem Rätoromanischen, das in einigen Teilen des Schweizer Kantons Graubünden gesprochen wird, vergleichbar.
 
Bemerkenswert ist, dass seit der Südtiroler Autonomie die Zahl der italienischen Sprachgruppe stetig sinkt, während jene der deutschen Sprachgruppe steigt. Das konnte auch ich beobachten. Oft wird jedoch ein Dialekt gesprochen, der teilweise für unsere Ohren schwer verständlich ist. Insgesamt gibt es landesweit über 40 verschiedene Dialekte. Als Hochsprache wird das Deutsche wie in Österreich verwendet. Es gilt hier das Österreichische Wörterbuch. Bei der Zweisprachigkeitsprüfung ist jedoch der Duden obligatorisch.
 
Interessant ist, dass auf jedem Schild zunächst die deutsche, dann die italienische Bezeichnung angegeben ist. In den ladinischen Gebieten ist sogar eine dreifache Beschriftung üblich.
 
Der Pferdefant in Brixen (Bressanone)
Zweimal hatte ich die Gelegenheit, durch Brixen, die älteste Stadt Tirols, zu flanieren. Sehr schön sind die malerischen Fassaden der Häuser. Unter den heimeligen Lauben sind Restaurants, Weinstuben und Ladengewölbe verborgen. Der Rundgang durch die Altstadt von Brixen ist nicht beschwerlich, da alles auf einem Geviert von 400 m Seitenlänge zu erreichen ist. Auch Frauen mit Stöckelschuhen können die meisten Wege problemlos bewältigen, da es kaum Kopfsteinpflaster und sonstige Fussfallen gibt.
 
Die an der Eisack gelegene Stadt Brixen hat eine 1000-jährige Geschichte zu bieten. Die Stadt blieb während des ganzen Mittelalters Zentrum von Kunst und Bildung. Heute ist Brixen mit seinen knapp 20 000 Einwohnern eine beliebte Kurstadt, eine Stätte vieler Kunstdenkmäler und wertvollen Sammlungen.
 
Besonders beeindruckend fand ich den Dom Maria Himmelfahrt. Es ist ein barocker Neubau, der von 1745−1754 erbaut worden ist. Sehr zu empfehlen ist die Besichtigung des Kreuzgangs. Der Kreuzgang ist ein grossartiges Bauwerk der Romantik mit Gewölben des 14. Jahrhunderts. An den Decken und Wänden sind herrliche gotische Fresken zu sehen. Der Domkreuzgang wird zu Recht als das grösste Denkmal alpenländischer Wandmalerei bezeichnet. Von den 20 Arkaden sind 15 bemalt. Unter den unbemalten Arkaden boten früher Händler ihre Waren feil.
 
Da ich schon vorher in einer Werbezeitung den Pferdefant im Kreuzgang erblickt hatte, wollte ich unbedingt den in der 3. Arkade abgebildeten Pferdefant sehen. Ich suchte und suchte, bekam vom Hochblicken fast einen steifen Hals. In der Fülle der Malereien konnte ich den Pferdefant („Rüsselpferd“) vorerst nicht entdecken. Da hatte ich unwahrscheinliches Glück. Aus einer Tür im Domkreuzgang trat plötzlich ein Geistlicher heraus, den ich fragte, wo denn der berühmte Pferdefant sei. „Direkt über Ihnen ist er“, entgegnete er. Und da sah ich die Abbildung des wunderlichen Tiers aus dem fernen Indien oder Afrika. Der Schöpfer dieses Tieres war Meister Leonhard von Brixen. Da der Maler von Madonnen und Heiligen selbst nie einen Dickhäuter gesehen hatte, malte er den Elefanten nach dem Hörensagen. Er malte ein sonderbares Tier, das einem Pferd ähnelte. Das „Pferd“ hatte jedoch lappenähnliche Ohren und einen Rüssel. Der Maler pinselte dann noch einige Hautfalten statt der Mähne in seinen Pferdefant.
 
Ein künstlerischer Glanzpunkt von Brixen ist der neu gestaltete Brunnen auf dem Domplatz. Er wurde von Martin Rainer geschaffen. Leider konnte ich aus Zeitgründen das Diözesanmuseum in der Hofburg (www.hofburg.it) nicht besichtigen. Aber ich liess mich informieren, was dieses Museum in der Hofburg an Schätzen birgt.
 
Das Museum besteht aus folgenden Abteilungen: die kirchliche Kunst des Mittelalters und der Neuzeit (35 Räume), der Kaisertrakt mit Bildern, Möbeln, Porzellan (7 Räume), Diözesan- und Fürstentumsgeschichte (10 Räume), Porzellan (7 Räume), die geistliche Hofratskanzlei (2 Räume), die weltliche Hofratskanzlei mit Wappen und Siegeln (2 Räume) und der Domschatz, Krippen- und Heilsgeschichte (8 Räume). Die kleinteilige Probst-Krippe, die aus mehr als 5000 Figuren besteht, erzählt über den Weihnachts- und Passionszyklus hinaus das gesamte Leben Jesu.
 
Ein Elefant und der Finsterwirt
Das international bekannte Viersterne-Hotel „Elephant“ in der Brixner Innenstadt (www.hotelelephant.com) hat eine mehr als 450-jährige Gastgebertradition. Damals war das heutige Komforthotel noch ein einfaches Gasthaus mit der Bezeichnung „Am Hohen Felde“. Auf Anordnung des Erzherzogs Maximilian von Österreich wurde zur Jahreswende 1550/51 einmal ein indischer Elefant für 14 Tage untergebracht. Der Elefant war ein Geschenk von König Johann III. von Portugal und sollte die Hofmenagerie Kaiser Ferdinands bereichern.
 
Nach dem Besuch des ungewöhnlichen Gasts in den Stallungen taufte der damalige Besitzer der Herberge, Andrä Posch, sein Haus in „Elephant“ um. An der Aussenwand des Hotels ist der Einzug des gewichtigen Tieres und seiner Begleitung in Al-fresco-Malerei festgehalten. Abbildungen finden wir auch im Hotel auf Teppichen und Wandverkleidungen.
 
Das Restaurant Finsterwirt  (www.finsterwirt.com) in der Domgasse 3 hat ebenfalls Besonderheiten zu bieten. Schon die Namensgebung ist ungewöhnlich. Wer sich hier in Geschichte nicht auskennt, der meint wohl, dass hier früher ein missliebiger und finsterer Wirt sein Unwesen getrieben habe. Weit gefehlt. Die Namensgebung wurde aus einem ganz anderen Grund geboren. Seit 1743 wurden hier Zehent-Weine des Domkapitels ausgeschenkt. Damals herrschten strenge Sitten. Es gab zu jener Zeit keine Sperrstunden zu nachtschlafener Zeit. Der Wirt wurde in der besagten Weinschenke angehalten, den Ausschank bei Einbruch der Dunkelheit zu beenden. Kein Licht durfte angezündet werden. Und das alles wegen Einhaltung der Nachtruhe. Von nun an wurde der Wirt „Finsterwirt“ genannt.
 
Im Restaurant gibts aussergewöhnliche Stuben wie eine Künstlerstube, die Andreas-Hofer-Stube und die Bischofsstube. In den Stuben kann der Gast Originalgemälde, geschichtsträchtige Waffen und Glasgegenstände betrachten und bewundern.
 
Im Kloster Neustift (Novacella)
Da ich im Kloster Neustift nächtigte und dort auch 2 Vorträge hielt, wollte ich unbedingt auch eine Führung durch die spätbarocke Stiftskirche, den gotischen Kreuzgang, die Pinakothek und die Bibliothek machen. Am Vormittag des Abreisetags (am Samstag, den 7. Oktober 2006) war es so weit. Die Führung wurde in italienischer Sprache gehalten. Da unser Führer auch Deutsch verstand, gab es keine Verständigungsschwierigkeiten. Ausserdem waren an sämtlichen Vitrinen zweisprachige Erklärungen angebracht.
 
Das Kloster wurde 1142 gegründet und von Bischof Hartmann von Brixen mit einer ersten kleineren Gemeinschaft von Augustiner Chorherren aus Klosterneuburg besiedelt. Während der Barockzeit und der Bedrohung durch die Türken im 16. Jahrhundert wurden viele An- und Umbauten durchgeführt. Heute ist im Kloster auch ein Schülerheim für 95 Buben. Hier befinden sich ein interner Klassenzug der öffentlichen Mittelschule „Oswald von Wolkenstein“ und ein Internat für Oberschüler, die in Brixen ihre Schule besuchen.
 
Der Rundgang begann in der „Stiftskirche zu Unseren Lieben Frau“. Die Kirche wurde im 18. Jahrhundert zum schönsten spätbarocken Kirchenraum Südtirols umgestaltet.
 
Im Kirchenraum ist eine Kuriosität zu sehen. Der „Kirchenväteraltar“ des Michael Pacher wird hier als lebensgrosse Fotoreproduktion präsentiert. Das Original kam 1809 auf Befehl des Bayernkönigs Max I. Joseph nach München. Es wurde nie zurückgegeben.
 
Rotula-Rollen und Strohantepedien
Wir gingen dann durch den Kreuzgang mit seinen spätromanischen Fresken in die eigentlichen Museumsräume. Hier sind liturgische Kostbarkeiten zu sehen. In einem Raum wurde der Weg der Neustifter Rotulaboten aufgezeigt. Beim Tod eines Stiftsbruders wurden zusammengerollte Pergamentstreifen durch Boten verbreitet. Sie reisten zu anderen Klöstern zur Gebetsverbrüderung. Im Kloster Neustift haben sich zahlreiche solcher Rotula-Rollen erhalten.
 
Eine Besonderheit sind die so genannten Strohantepedien aus dem 17. Jahrhundert. Die barocken Raritäten stellen Wandteppiche dar, die Einlegearbeiten aus Stroh enthalten. Um Zersetzungen zu verhindern, muss der Raum mit diesen Wandteppichen immer die gleiche Temperatur und Luftfeuchtigkeit aufweisen.
 
Bei 2 Klosterbränden (1190 und 1303) gingen viele Bücher verloren. Eine feuersichere Bibliothek wurde erst 1430 erbaut. Die wertvollsten Bücher der Bibliothek wurden während der Säkularisation in alle Winde verstreut. Ein Teil der Bestände kam später wieder zurück. Heute hat die Stiftsbibliothek etwa 76 000 Bände.
 
Der Rokokosaal der Bibliothek wurde 1770−78 durch Giuseppe Sartori geschaffen. Er ist, wie ich mir sagen liess, wohl der schönste Profanraum dieser Epoche in Südtirol.
 
Zum ersten Mal sah ich in meinem Leben 2 Gutenberg-Bibeln aus dem Jahre 1452 und sehr schön illuminierte Handschriften aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Eine besondere Kostbarkeit war wohl eine Salzburger Armenbibel von 1370.
 
Im Raum „Wissenschaft und Schule“ wurden wir von der Fülle der Schätze überrascht. Ich erwärmte mich besonders für die astronomischen Geräte aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Es waren astronomische Winkelgeräte, Kompasse, Sternenorter, Nivelliergeräte, Teleskope und Monokel aus Messing ausgestellt. Sehenswert waren Stockuhren aus der Empire-Zeit, dann eine Turmuhr aus dem 17. Jahrhundert, Sonnenuhren und Mörser aus dem 19. Jahrhundert.
 
Besonders aufmerksam betrachtete ich alte Kupferstiche von Pflanzen, ein Herbar und Kräuterbücher aus dem 15. Jahrhundert (Kräuter-Codex „Lilium Medincinae“). Ich bedauerte, dass ich nur eine kurze Zeit zur Betrachtung zur Verfügung hatte, denn die Führer drängten zur Eile, weil schon eine andere Gruppe im Anmarsch war.
 
Der Wunderbrunnen und die Engelsburg
In den Höfen und im Vorfeld des Klosters sind weitere Sehenswürdigkeiten zu betrachten. Es gibt einen Kräutergarten, den Türkenturm, den Stiftskeller, den Wunderbrunnen und die Engelsburg.
 
In der Mitte des Stiftshofes steht der Wunderbrunnen. Er diente früher zur Wasserversorgung des Stifts. Er wurde bereits 1508 gegraben. In den Giebelfeldern der zierlichen Pagode sind die 7 klassischen Weltwunder dargestellt. In das 8. Feld wurde ein Bild des Klosters Neustift eingesetzt.
 
Ein weiteres markantes Bauwerk im Vorfeld des Stifts ist die St. Michaelskapelle, auch „Engelsburg“ genannt. In diesem Gebäude wurden früher auch Pilger untergebracht. Die Benennung „Engelsburg“ entstand wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Engelsburg in Rom.
 
Das heutige Kloster Neustift (www.kloster-neustift.it) betreut 20 Pfarreien in den Diözesen Bozen-Brixen und Innsbruck. Zum Kloster gehören Wälder, Felder, Weinberge, Weingüter und eine Stiftskellerei. Hier kann man sich an vielen erlesenen Weiss- und Rotweinen erlaben.
 
Literatur
Werner A. Widmann: „ADAC Reiseführer Südtirol“, ADAC Verlag, München 2005.
Schrift „Chorherrenstift Neustift“, Athesia-Druck, Brixen 2004.
 
Infos im Internet
Infos des Tourismusvereins Brixen (http://www.brixen.org)
Infos über das Eisacktal (http://eisacktal.suedtirol.com)
Infos über das Genussland Südtirol (http://suedtirol.info)
Infos über Kulinarisches aus Trentino-Südtirol (http://www.g26.ch/italien_kochen_trentino.html)
 
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