Textatelier
BLOG vom: 23.11.2007

Die Taubenplage und das Basler „Dybli” (Briefmarke)

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Wenn ich in Basel bin und durchs Spalentor spaziere, halte ich gern beim Briefkasten an der Ecke des Tors inne und werfe einen bewundernden Blick in den im Gemäuer eingelassenen „Dybli“-Briefkasten. Das dreifarbige so genannte Basler Dybli war eine der 1. Briefmarken in der Schweiz, von Melchior Berri entworfen und am 1. Juli 1845 in den Postverkehr eingeführt.
 
Tauben sind so gut wie Spatzen ein Teil nicht nur von Basel, sondern von grossen und kleinen Städten überall. Viele ältere Leute füttern sie mit alten Brotkrumen, sei es im „Palais Royal“ in Paris oder auf dem Basler Münsterplatz. Tauben sind von Venedig nicht wegzudenken. Tauben pickten bis vor einem Jahr oder so unbehelligt scharenweise ihr Vogelfutter im Londoner Leicester-Square – bis Mayor Ken Livingstone dort das Füttern von Tauben verbot und die Vogelfutterhändler aus dem Tempel jagte. Kleine Kinder scheuchten sie auf tapsigen Beinen jagend gern auf. Dieser Taubenspass ist nun vorbei, seit Tauben als Plage gelten. Sie seien voller Krankheitserreger, sagen die Taubenfeinde. Falken werden gegen sie eingesetzt – sogar Krähen („den Teufel durch Beelzebuben austreiben“), sie werden abgeknallt, vergiftet oder kriegen „die Pille“ in ihrem Futter beigemengt.
 
Der englischen Presse entnehme ich, dass in Basel die echten Taubeneier aus den Nestern geplündert und durch falsche (Attrappen) ersetzt werden. Wenn dem tatsächlich so ist, muss ein solches Eierersetzen ein sehr zeitaufwendiges Unterfangen sein … Doch dieses Basler Beispiel, lese ich, mache auch in Deutschland Schule.
 
Früher wurden den Tauben eigens Taubenschläge eingerichtet. Nach wie vor gibt es Brieftauben. Aber die weissen Friedenstauben sind seit je selten. Der Papst liess vor nicht langer Zeit mit segnender Gebärde einige aus seinem Vatikanfenster fliegen. Sie wollten zuerst ihre sichere Unterkunft nicht verlassen. Aber Gottes Wille siegte schliesslich.
 
Den Tauben sind allerlei Sprichwörter gewidmet: „Den Tauben ist gut predigen“ – wie der Papst erfahren konnte. „Das geht zu und her wie im Taubenschlag.“ Auf dem Dach und rund um die Kamine des Hauses uns gegenüber haben sich viele Tauben häuslich niedergelassen, denn die betagte Rosemary in der Parterrewohnung füttert sie generös. Vom geringsten Lärm aufgescheucht – oder auch vollkommen grundlos – schwirren sie allesamt immer wieder hoch, ziehen einige Kreise und lassen sich wiederum rund ums Dach verteilt nieder.
 
„Gebratene Tauben fliegen einem nicht ins Maul.“ Man muss sie zuerst fangen, dann abrupfen, flambieren, ausnehmen, waschen, salzen und mit Zutaten stopfen. Am einfachsten kauft man sich den Taubenbraten beim Traiteur, meine ich. Selbst dann gebe dieser Braten nicht viel her, wurde mir gesagt: zu viel Gerippe, zu wenig Fleisch, selbst bei den dicken Waldtauben. Die Italiener mögen anders denken und handeln und fangen selbst Spatzen und Singvögel in Netzen oder auf Leimruten. Dagegen habe ich viel einzuwenden.
 
„Lieber ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach.“ Doch verlassen wir hier das kulinarische Prinzip. Wie denn ist mein Verhältnis zu den Tauben? In meinem Garten mag ich sie nicht, ganz besonders die einstigen Waldtauben, die sich überall breit machen und unablässig Kot fallen lassen, sei es aufs Autodach oder über Fensterflächen. Wäscht man diesen Dreck nicht sofort weg, verkrustet er, und man muss ihn mühsam mit warmem Wasser, Lauge und Bürste wegreiben. Sie fressen ausserdem den von mir bevorzugten Singvögeln die Beeren vor dem Schnabel weg.
 
Aber ich gehe nicht soweit, sie Flugratten zu nennen. Wem Taubenkot von einem Baum auf den Kopf oder aufs Kleid fällt, dem ist das Glück zugeflogen. Also stelle ich mich untern Baum und warte aufs Glück!
 
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