Textatelier
BLOG vom: 13.10.2008

Föhntag auf dem Homberg über dem Seetal und Wynental

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Meine Sammlung von Hombergen habe ich am 06.10.2008 um ein weiteres Exemplar angereichert: jenen im aargauischen Reinach zwischen Seetal und Wynental, auf dem ein 19 Meter hoher Aussichtsturm steht. Der Homberggipfel befindet sich auf 789 m  über Meer, wobei gleich festgehalten sein soll, dass das Meer von hier aus nicht einsehbar ist, dafür der Hallwilersee und der Baldeggersee, umfasst von der weissen alpinen Gischt aus Ost- und Westalpen. Der Föhn hatte die Alpen ganz in die Nähe gerückt – zum Greifen nah’ … Die Sonne sorgte durch die zerzausten, aufgerissenen weissen und grauen Schönwetter-Haufenwolken (Cumuli) hindurch für wechselnde Spiegelungen auf den Seeoberflächen.
 
Von Birrwil auf den Reinacher Homberg
Ich hatte mein Auto in Birrwil abgestellt und wanderte via Oberdorf–Hobacher durch Feld und Wald zum Oberen Flügelberg, wo das Berggasthaus Homberg auf 767 m ist, ein länglicher Bau mit schwach vorspringendem, zur Längsseite geneigtem Satteldach. Die Fensterläden des zweistöckigen, grauen Baus sind orangefarbig bis bräunlich. Im hangseitigen Parterre-Gasthausteil sind die Fenster grösser und ohne Läden; davor steht traditionelles Gartenrestaurant-Mobiliar.
 
Der Weg dorthin führt über ein mit einem Fahrverbot belegtes, teils geteertes und teils mit 2 betonierten Fahrspuren befestigtes, dem Forstpersonal und den Bauern vorbehaltenes Strässchen mit gelben Wanderweg-Markierungen; es steigt mässig, dann sehr steil bergan. Rückblickend und in Kenntnis der gesamten Aussichtslage darf ich feststellen, dass von hier aus das Seetal mit dem Hallwilersee besser einsehbar ist, besonders das untere See-Ende mit Seengen, als vom Hombergturm aus, der allerdings mehr Rundblick ermöglicht. Der Homberg ist neben dem Eichberg oberhalb von Seengen der wichtigste Aussichtspunkt des Seetals; die beiden können nicht miteinander verglichen werden.
 
Auf dem Hombergturm
Der Aussichtsturm mit seinen konisch zulaufenden Betonstützen ist vom Restaurant Homberg aus in 10 Minuten bequem zu erreichen. Unterwegs dorthin hatte ich ein Feld mit mannshohem Mais zu umrunden. Der Turm (1910 erstellt) befindet sich dort, wo früher, als die Telephonitis noch nicht grassierte, eine Hochwacht war, also logischerweise an bester Aussichtslage. Zudem steht ein Messpfeiler der Landesvermessung, der wie ein weisses zylindrisches Fass aussieht, beim Turm. Zwischen den Stützen und Verstrebungen führt zuerst eine Beton-, dann eine Metalltreppe zum obersten Punkt.
 
Dort oben ist eine Panoramatafel, die mir immerhin den Uetliberg bei der Stadt Zürich erkennen half. Hinter dem nahen Lindenberg am gegenüber liegenden Hallwilerseeufer schaute das Alpsteinmassiv mit dem Säntis hervor, dann der Glärnisch, der Rossberg, die Rigi und der Bürgenstock, der Pilatus, usf., garniert mit all den weiteren Stöcken und Hörnern, mit deren Namen die Geografielehrer ihre Schüler zur Verzweiflung bringen, und weiter zur Schrattenfluh bei der Blüemlisalp hinter dem nahem Stierenberg. Der Mittelteil des Hallwilersees ist, wie gesagt, von einem Mischwald verdeckt. Dafür ist der Ausblick ins untere Wynental mit Unterkulm und Teufenthal mit dem Rahmen aus dem solothurnisichen Kettenjura umso eindrücklicher, vor dem der KKW-Gösgen-Kühlturm als Landmark dampft. Im Süden breitet sich ganz in der Nähe Reinach, die Oberwynentaler Metropole, aus, zu deren Gemeindegebiet der Homberg weitgehend gehört, und dahinter ist der Landessender Beromünster, der sich eben für den Ruhestand (aufs Jahresende 2008 hin) vorbereitete, derweil der Herbst die Landschaft neu einzufärben begann.
 
Von Weidwerk und Rehpfeffer
Nachdem ich mich bei starkem Wind auf dem Turm sattgesehen hatte, fühlte ich mich hungrig – es war gerade 12 Uhr mittags. Ich umkreiste das Maisfeld auf der anderen Seite, kam an der Gedenktafel des Waldläufers Theodor Fischer (1872‒1925) vorbei, der für „Naturschutz und edles Weidwerk“ eingetreten sein soll, also für das Handwerk des weidgerechten Jägers. Ob es edel und gerecht sein kann, Wildtiere abzuschiessen, wage ich zu bezweifeln.
 
Ich setzte mich ins Gartenrestaurant „Homberg“; dieses kann übrigens auch über eine Fahrstrasse vom Reinacher Sandgassgebiet aus (Strecke Reinach nach Beinwil am See) aus erreicht werden. Der Gasthof wird von der Familie Mäder-Weber geführt. Dort wurden gerade Rehpfeffer mit Spätzli für CHF 23.50 als Tellergericht angeboten. Die geduldige, von der Qualität der Küche überzeugte Serviertochter sah mir nach, dass ich einige längere Überlegungen machte, bevor ich dieses Gericht dann doch noch bestellte. Mit allerhand, teilweise wirklich faulen Ausreden wischte ich die ethischen Bedenken aus dem jagdlichen Sektor Stück um Stück beiseite, nachdem ein älteres Ehepaar am Nebentisch im Brustton der Überzeugung betont hatte, hier esse man wirklich gut. Später teilte eine Dreiergruppe diese Aussage nicht ganz; zumal der Rehrücken nicht nach ihrem Geschmack gewürzt worden sei, wie ich auf Nachfrage erfuhr.
 
Den Ausschlag für meinen Rehpfeffer-Entscheid dürfte, wenn ich mich richtig erinnerte, der Waldläufer Fischer gegeben haben, dessen Spuren die Jagd hoffentlich auf die tierfreundlichere Seite beeinflusst haben mag. Jedenfalls war ich an keinem Hochsitz vorbeigekommen, und möglicherweise stammte das Wildfleisch aus der landwirtschaftlichen Produktion – ob das die Lage verbessert, bleibe dahingestellt. Man sieht: ich winde und drehe mich, hatte aber zum Glück meine Bedenken grösstenteils überwunden, als der Teller mit der dunklen, nach Wein duftenden, kräftigen Sauce, den darin lagernden Fleischstücken und den angebräunten Spätzli neben einem ausgehöhlten Apfel mit Preiselbeeren aufgetragen wurde. Dazu tat ich etwas für die Hochstammbäume: Ich trank einen herrlichen Schlör-Apfelsaft vom Fass.
 
Was bestimmt den Nussertrag?
Dergestalt gestärkt unternahm ich noch eine kleine Wanderung am Homberg-Abhang und sprach mit einem erfahrenen Bauern, der gerade Baumnüsse (Walnüsse) einsammelte. Er hatte dieselbe Erfahrung wie ich mit meinen eigenen 2 königlichen Nussbäumen (Júglans régia) gemacht: heuer (2008) gibt es weniger Nüsse, und sie sind klein, kleiner als sonst. Meine Beobachtung, dass sich gute und schlechte Nussjahre abzuwechseln scheinen, präzisierte er: Ausschlaggebend für den Ertrag ist die Witterung während der Nussbaumblüte. Dann braucht es trockene Tage mit leichtem Wind, obschon männliche und weibliche Blüten getrennt auf dem gleichen Baum vorkommen; Selbstbefruchtung ist zwar möglich, aber in der Regel braucht es einen anderen Baum in etwa 100 m Entfernung, der seine Pollen mit dem Wind als Transportmittel anliefert. Herrscht aber ausgerechnet dann regnerisches Wetter, ist der Pollenflug erschwert bis verunmöglicht, und der Ertrag wird spärlicher ausfallen. Die Pollen werden abgewaschen und verlieren die Lust und das Talent zu fliegen.
 
Im Moment kennen die Baumnüsse nur eine Flugrichtung: nach unten. Irgendwie einen Zusammenhang mit den Börsen zu suchen, wäre unstatthaft – in jenen Tagen löste ein Crash den anderen ab. Ich begab mich ebenfalls nach unten, zum Dorf Birrwil zurück, das auf einer Terrasse unter der Eichhalde sowie dem Güggeliberg und etwa 100 m über dem Westufer des Hallwilersees liegt, vis-à-vis von Meisterschwanden.
 
Ich kann nichts dafür, aber diese Landschaft gefällt mir. Die gute Fernsicht setzt dem Bild noch die Krone auf.
 
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