Textatelier
BLOG vom: 14.12.2008

Mein Wunsch: Stille Momente in der Vorweihnachtszeit

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Ich pendle hin und her. Einerseits gefällt mir der Advent hier oben am Stadtrand. Andererseits fahre ich auch gerne in die Innenstadt. Abendspaziergänge zum Waldrand sind aber die Favoriten dieser Vorweihnachtszeit. In einer Viertelstunde bin ich schon auf dem Schlieremerberg, kann die Stadt aus der Ferne und wenn der Himmel offen ist, auch die Sterne betrachten. Das angekündigte, seltene Ereignis der Venus, die am 1. Dezember für 45 Sekunden hinter dem Mond verschwand, konnten wir nicht beobachten. Der Himmel war bewölkt. Doch tags zuvor bewunderten wir Venus, Jupiter und die Mondsichel in einer seltenen Nähe und Klarheit. Ein wunderschönes Bild, das sich uns einprägte.
 
Wir waren durch den Wald anmarschiert, und als wir aus ihm heraustraten, präsentierten sich auch die Stadt und das Limmattal als Lichtermeer. Aber von anderer Art, nur von Menschen gemacht.
 
Am Sonntag dann entdeckten wir von weitem rote Feuersglut und sich bewegende kleine Lichter, als wir wieder dort oben unterwegs waren. Die Sonne war längst untergegangen. Der gedeckte Unterstand war von Familien bevölkert. Kinder sprangen herum. Einige trugen Laternen, andere spielten mit Taschenlampen. Hier wurde vermutlich Sankt Nikolaus gefeiert. Wir sahen dieses Fest nur von weitem. Es war ein Anblick wie aus der Zwergenwelt. Ein Zauber der Nacht. Und Primo wurde, wegen seines Barts und seiner Ausstrahlung, wie immer im Advent, von Kindern ganz genau betrachtet. War das der Samichlaus? Zwei Buben auf dem Heimweg fragten sich: Hat der Samichlaus eine Frau? als sie mich an seiner Seite entdeckten.
 
Ein anderes vorweihnachtliches Erlebnis: Die Ausstellung „Polnische Weihnacht“ im Spielzeugmuseum Baden. Wir mussten lange suchen, bis wir den Ort fanden. Die Auskünfte, die uns ein Bus-Chauffeur und Passanten gaben, waren so widersprüchlich, dass wir die Altstadt zweimal durchqueren mussten, bis wir den Ländliweg endlich fanden. Es schneite und regnete. Schneematsch behinderte uns im Gehen, aber als wir das Museum in einer schönen, alten Villa fanden, waren wir versöhnt. Hier trockneten die Kleider. Es war gemütlich warm, und die Frau an der Theke war freundlich. Ich war mit meiner Freundin Ursula hierher gekommen. Still schauten wir uns um, lasen die Texte, bestaunten den polnischen Weihnachtsbaum, eindrückliche Holzschnitzereien von Waclaw Suska, ebenso filigrane Scherenschnitte, Strohgeflechte und die mit Silberpapier gestalteten Kathedralen. Polnische Weihnachtsmusik füllte den kleinen Raum und gab uns das Gefühl, zum Fest eingeladen zu sein.
 
Diese Gegenstände aus der Volkskunst tauchten schon vor Jahren auf dem Weihnachtsmarkt auf. Jetzt weiss ich, woher sie kommen. Aber auch aus Skandinavien und aus der Schweiz kenne ich solche Stroharbeiten. Wer wen beeinflusst hat, ist oft nicht mehr auszumachen.
 
Der farbenfroh dekorierte Weihnachtsbaum hinter einer gläsernen spanischen Wand steht vor einem Fenster der Museumsvilla. Da es schneite, als wir uns dort aufhielten, wurde das Bild einer Weihnachtsstube lebendig.
 
Ursula begeisterte sich für das Rezept der polnischen Mohn-Roulade und notierte es. Mein Blick haftete immer wieder an Holzreliefs von Waclaw Suska. Seinen Geige spielenden Engel hätte ich gern mitgenommen.
 
Das polnische Weihnachtsfest mit vielen traditionellen Speisen muss ein Festschmaus für die Grossfamilie sein. Mich beeindruckte die Oblate, die bei Tisch gebrochen wird. Eine feierliche Geste, die das Fest erst zum Weihnachtsfest werden lässt. So stelle ich mir das vor. Die Oblaten, die wir hier kaufen können, sind rund. In Polen rechteckig und gross und wie unsere Tirggel mit eingedrückten Bildern verziert.
 
Diese Ausstellung sei die erste in ihrer Art. Weitere werden in den nächsten Jahren folgen. Obwohl im Spielzeugmusem angesiedelt, ist dieser Blick in die Volkskunst anderer Länder zuallererst für Erwachsene ein Gewinn. Nur sie können ihn den Kindern vermitteln. Obwohl klein, ist die Ausstellung aber fein. Sie dauert noch bis zum 6. Januar 2009.
 
Zurück in Zürich, stand ich noch alleine bei einer singenden Heilsarmee-Gruppe, die im Advent zum traditionellen Bild meiner Stadt gehört. Jedes Jahr bewundere ich das Engagement dieser Menschen und ihre liebenswürdige Ausstrahlung. Sie sorgen nicht nur für die Ärmsten. Sie schenken uns ganz allgemein etwas Einstimmung in den Advent. In diesem Sinn sind sie Bestandteil von städtischen Weihnachtsbräuchen. Sie gehörten dazu, wenn im Badener Spielzeugmuseum Volkskultur aus Schweizer Städten gezeigt würde.
 
Das Säcklein Maggi-Suppe, das mir überreicht wurde, als ich meine Gabe in den Topf fallen liess, werde ich dann unserer Weihnachtssuppe einverleiben.
 
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