Textatelier
BLOG vom: 28.02.2009

Dorf- und Stadtgeschichten: Der Urlauber ohne Unterhose

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Jedes Jahr in der Fasnachtszeit gibt der Sternen-Zinken (www.sternenzinken.de), das ist eine Fasnachtsclique, die 1954 gegründet wurde, die Schnitzelbank heraus. Dabei handelt es sich um ein farbiges Blatt, auf dem Stadtereignisse des vergangenen Jahres (2008) humorvoll im Dialekt präsentiert werden. Einige der lustigsten Geschichten möchte ich in „freier Übersetzung“ jetzt bekannt geben. Der 1. Zinkenvogt Thomas Trambetzki war mit dem Abdruck einiger Zitate auf Alemannisch einverstanden.
 
Beringung eines Storches
Als sich Störche auf einen Fabrikkamin in Schopfheim in einem Nest niederliessen, kam einer auf die glorreiche Idee, diese zu beringen. Es wurde daraufhin die Feuerwehr gerufen, die dann die längste Leiter ausfuhr. Die Feuerwehrmänner kurbelten und kurbelten, bis die Leiter in der ganzen Länge ausgefahren war. Aber sie war zu kurz. Die Leute fluchten und schimpften, und die Störche lachten sich kaputt („die Störchli lache sich a Ascht“, laut Schnitzelbank).
 
Keiner kam zur Metzgede
Der Wirt vom „Sternen“ in Schopfheim machte sich mit seinen Helfern in der Küche an die Arbeit. Blut- und Leberwürste, Bauchfleisch, Bratwürste und Sauerkraut mussten für die Metzgede (Metzgete, Schlachtplatte) hergerichtet werden. Denn, wie jedes Jahr, erwartete der Wirt viele Feinschmecker aus der näheren und weiteren Umgebung. Aber an diesem Tag kam kein Mensch in die Gaststätte. Nach langem Warten war es dem Wirt zu dumm. Er ging hinaus, um zu sehen, was los war. Dann traf ihn fast der Schlag, als er an der Eingangstür einen Zettel mit der Aufschrift „Heute Ruhetag“ las.
 
Im Urlaub ohne Unterhose
Eine Schopfheimer Familie reiste mit dem Auto nach Frankreich. Nach dem Kofferauspacken am Urlaubsort stellte das Familienoberhaupt (Peter) fest, dass seine Unterhosen mit Eingriffschlitz vergessen wurden. Was tun? Nun, er ging flugs in ein Geschäft und wollte Boxershorts mit Eingriff haben. Aber, wie erklärt man dies auf Französisch? Da er die Sprache nicht beherrscht, machte er sich mit Gesten und Herumgefuchtel mit den Händen bei der Verkäuferin bemerkbar. Man kann sich vorstellen, wie er an seiner Hose ihr den Schlitz erklärt hat. Nun, die Verkäuferin verstand nur Bahnhof. Peter bekam jedoch eine Unterhose, aber ohne Schlitz. Die Moral von der Geschichte (laut Schnitzelbank): „Do siiht me mol, s`isch nie verchert, wenn mr e´wenig französisch lehrt.“
 
Der Frauenheld
Ein Schopfheimer Frauenheld lud 4 Frauen am Silvesterabend zu sich nach Hause ein. Er wollte den Holden etwas ganz Besonders bieten. Ein Hase musste her, denn er hatte dies den Damen versprochen und erwähnt, dass er das Festessen selbst zubereiten würde. Nun. er besorgte sich einen Hasen, bereitete ihn nach allen Regeln der Kochkunst zu und erwartete die Gäste voller Ungeduld. Aber niemand kam. Die Frauen hatten den Braten gerochen und waren wohl der Meinung, der Frauenheld würde mit einer Frau wohl nicht genug haben. Laut „Schnitzelbank“ wurde dies so dargestellt: „Die Wiieber henn des vorher gspannt, ,E Harem? Nei, s´isch nit glant’. Du warsch, bi Gott, so druff versesse, jetzt chasch de Has eleinig fresse.“
 
Und hier noch einige weitere Geschichten, die Freunde von mir oder ich selbst erlebt hatten.
 
Es gab nur Wein und keine Brotzeit
Als eine kleine Wandergruppe von Schönau D aus in die Berge ging, machte sich nach etwa 2 Stunden Wanderung der Hunger bemerkbar. Alle freuten sich schon auf die herrliche Brotzeit in einer Wirtschaft. Sie waren vor Jahren schon einmal dort, und genossen die herrlich schmeckenden Speisen. Aber inzwischen hatte sich wohl einiges verändert. Die Wirtin war wohl verschieden, und so hielt sich der mürrische Wirt mit seiner jungfräulichen Tochter über Wasser. Nun, bald wussten wir, dass es hier nicht mit rechten Dingen zuging. Als die Wanderer ihre Wünsche äusserten, sagte der Wirt: „Um diese Zeit (es war am Nachmittag) gibt es kein Vesper, nur Wein oder ein anderes Getränk.“
 
 „Wir haben nach der anstrengenden Tour einen Riesenhunger, haben Sie wirklich nichts zum Essen?“ sagte verzweifelt ein Ausgehungerter.
 
Der Wirt murmelte etwas vor sich hin und verschwand hinter der Theke und brachte eine Tüte Salzstangen und dann den bestellten Wein. Was blieb den Hungernden übrig, als sich mit dieser kargen Kost zufrieden zu geben?
 
Der Wirt achtete mit Argusaugen auch darauf, dass seine Tochter, die inzwischen im Gastraum erschienen war, sich nicht mit den Gästen unterhielt. Als doch einer aus der Gruppe es wagte, sie anzusprechen, ging der Wirt dazwischen und beorderte die Jungfrau hinter die Theke.
 
Pingeliger Bauherr
Vor vielen Jahren baute sich ein sparsamer, pingeliger Wehrer Bürger ein wunderschönes Haus. Er verfolgte den Bau mit Argusaugen und reklamierte sofort, wenn irgendetwas nicht stimmte. Als der Verputz aufgetragen worden war, kontrollierte er mit einem Nagel die Dicke. Tatsächlich fand er Unterschiede. Nun mussten die Maurer erneut anrücken, um den Verputz zu verstärken.
 
Oder eine andere Geschichte: Nachdem der besagte Bürger schon einige Jahre im Haus wohnte, fiel der Gemeindeverwaltung ein, eine Umlage für den Neubau der Kläranlage zu verlangen. Diese Umlage wollte der Sparsame keinesfalls bezahlen. Er entdeckte nämlich eine Passage im Vertrag, die besagt, dass die Umlage nur einmal bezahlt werden muss. Dieser Vertrag nützte ihm jedoch nichts, er sollte trotzdem bezahlen. Der Sture verweigerte dies immer wieder. Dann wurde es der Verwaltung zu dumm, sie beauftragte Arbeiter, die ihn von der Kanalisation „abklemmen“ sollten. Als die Arbeiter schon rot-weisse Bänder spannten, stürmte der Säumige aus seinem Haus und meinte völlig zerknirscht zu den Arbeitern gewandt: „Bitte hört auf, ich bezahle ja.“ Dies geschah dann auch.
 
Holt mich der Sensenmann
Während eines Schülertreffens meinte eine 70-Jährige zu ihren ehemaligen Schulfreundinnen: „Jetzt kommen wir bald in das Alter, wo uns der Sensenmann holt. Wenn ich meine, es wäre soweit, dann sage ich immer wieder: Hol zuerst meine Schwiegermuter, die ist schon über 90!“ Die Hochbetagte, die einen unglaublichen Sinn für Humor hat, meinte, als sie die Sprüche ihrer Schwiegertochter hörte: „Recht hast Du, schicke ihn zuerst zu mir!“
 
„Kalte Füsse“ und Handschellen
Die „Badische Zeitung“ berichtete am 18.01.1997 über seltsame Ereignisse in Standesämtern. So warteten hin und wieder Standesbeamte verzweifelt auf die Paare, die wohl im letzten Moment „kalte Füsse“ bekommen hatten und nichts mehr von einer Trauung wissen wollten. Ein Paar brauchte 4 Anläufe, dann konnte der Beamte zur Tat schreiten. Eine Frau bestellte binnen weniger Wochen 3 Mal das Aufgebot, immer mit anderen Männern. Mit dem Letzten konnte sie sich endlich zu einem gemeinsamen „Ja!“ durchringen. Einmal erschien ein Paar, das sich mit vergoldeten Handschellen aneinandergekettet hatte.
 
Neugierig und ungeduldig
Im Jahre 2000 besuchte ich mit dem Geschichtsverein Markgräflerland an einem schönen Maitag die Firma Brennet (www.brennet.de), eine bedeutende Stoffherstellerin in Wehr. Eine Frau mit losem Mundwerk wollte vom Führer der Gruppe dieses oder jenes wissen. Als die Führung schon 30 Minuten über die Zeit war, und alle sehnsüchtig der Kaffeepause entgegenfieberten, meinte doch die Extrovertierte: „Nun fraget ja nimmer, ihr wollet doch zum Kaffee in die Krone!“ Während des Rundgangs bewunderte die Dame immer das Hemd des Führers und grabschte danach, denn sie wollte unbedingt den Stoff fühlen. Nach dem 3. Griff sagte ein Besucher zu einem anderen: „Ich weiss nicht, was sie an dem Hemd findet.“ Wie aus der Pistole geschossen, antwortete der Angesprochene: „An dem Hemd sicher nichts, die interessiert sich nur für den Inhalt, den jungen Mann.“ Während des Rundgangs kamen die Besucher auch an Spulen mit aufgewickelten Garnen vorbei. Meinte doch die Vorlaute als sie das dezente Grün bemerkte: „Des is koi Farb, die is fad!“ Der Clou: Die Frau hatte genau das zarte Grün in ihrem Kostüm.
 
Der Organist hatte Durst
In Hasel bei Schopfheim spielte vor vielen Jahren ein Organist auf der Kirchenorgel. Er wurde jedoch immer wieder von Durst übermannt. Während der Pfarrer auf der Kanzel predigte, schlich er sich aus der Kirche und besuchte ein gegenüber liegendes Wirtshaus. Dort stillte er seinen höllischen Durst mit einem alkoholischen Getränk. Er schaffte es immer wieder vor Ende der Predigt zurück zu sein. Aber eines Sonntags blieb der Bursche länger in der Wirtschaft. Der Pfarrer, der einen guten Blick auf die Empore hatte, wurde immer nervöser, denn er konnte den Organisten nicht ausmachen. Was blieb ihm übrig, als weiter zu predigen. Er predigte und predigte, bis der Organist auftauchte und plötzlich mit aller Wucht auf die Tasten haute. Die Predigt war abrupt zu Ende. Die Gottesdienstbesucher wunderten sich nur, dass an diesem Tag die Predigt sehr lange dauerte und der Pfarrer wohl nicht viel Erbauliches von sich gab. Kein Wunder, er musste improvisieren.
 
Weitere Geschichten über Organisten im Blog vom 23.08.2006: Musiker-Anekdoten 1: Wenn der Organist zu spät kommt ...
 
Merci
Ein Bauer holte in der Schliengener Apotheke seine Arznei ab und zahlte. Der Apotheker bedankte sich mit einem freundlichen „Merci“. Da der Landwirt das Wort noch nie gehört hatte, wollte er vom Kronenwirt wissen, was dieses Wort bedeute. Der Wirt lächelte spitzbübisch und sagte: „Merci heisst leck mich am Arsch.“ Da rannte der Bauer in die Apotheke zurück und rief wutentbrannt aus: „Dir au merci, dinere Frau merci, dine Chinder merci!“
 
Quelle: „Schliengen & Mauchen – Zwei Dörfer im Markgräflerland“, herausgegeben von der Gemeinde Schliengen, Band 2, 2003.
 
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