Textatelier
BLOG vom: 06.04.2011

Radioaktivität (2): Natürliche Strahlung in Baumaterialien

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Man kann das gar nicht mehr hören oder sehen: Die Schreckensmeldungen aus Fukushima (Japan) in den Medien. Da wird Angst geschürt und von einem Super-GAU gesprochen. „Unwissen über die Radioaktivität hilft bei der inszenierten Panikmache“, schrieb der Immunologe an der Universität Bern, Prof. Beda M. Stadler, in der „Weltwoche“ (2011-13). Da hat er für einmal vollkommen Recht. Es wird überall masslos übertrieben und mit falschen Fakten gehandelt.
 
Auch vor bestimmten Baumaterialien und vor der „Gefahr aus dem Boden“ (Radon) wird gewarnt. Über die Radioaktivität von Baustoffen werde ich in diesem Blog berichten. Ein Blog über das Edelgas Radon folgt später.
 
Laut Bundesamt für Strahlenforschung (www.bfs.de) werden aus Baumaterialien Radionuklide freigesetzt. Hauptsächlich sind es solche, die aus den radioaktiven Zerfallsreihen des Uran-238 und des Thorium-232 sowie des Kalium-40 stammen.
 
2 Ursachen kommen für die Strahlenexposition in Frage. Es sind diese (Quelle: bfs):
 
• Die von den Radionukliden in den Baumaterialien ausgehende, von aussen auf den Körper wirkende Gammastrahlung.
• Die Inhalation des aus den Baumaterialien in die Räume freigesetzten Radons und seiner Zerfallsprodukte.
 
Schweizer bekommen mehr ab
Wie schon im 1. Teil berichtet, beträgt die Summe von natürlichen Strahlenquellen etwa 2 mSv (Millisievert) pro Jahr. Das sind die Werte für die Deutschen. Die Schweizer bekommen im Durchschnitt 5 mSv ab. Das ist deshalb so, weil Granit mehr strahlende Teilchen enthält. Dazu kommt noch die Höhenstrahlung, die im Gebirge stärker ist.
 
Walter Hess schrieb mir in einer E-Mail am 29.03.2011 dies: „Unsere Strahlung ist relativ hoch. Deshalb sind wir so gesund, voller Tatendrang und selbstbewusst.“ Und zum Radon-Theater sagte er: „Wenn die natürliche Strahlung schädlich wäre, wäre die Menschheit längst ausgestorben. Es gibt ja auch Theorien, wonach Radioaktivität eine Voraussetzung für das Leben ist.“
 
Anmerkung: 1 Sievert (Sv), 1 Millisievert (1 mSv), 1 Mikrosievert (1 µSv). Im 1. Teil erklärte ich noch, was Sievert und Becquerel bedeuten.
 
Granit hat am meisten
In Baustoffen kommen folgende natürliche radioaktive Stoffe vor: Kalium-40, Thorium-232, Radium-226. Das „Österreichische Ökologie Institut für angewandte Umweltforschung“ in Wien (www.ecology.at) führte 250 Messungen an Baumaterialien durch. Die Mitarbeiter des Instituts fanden grosse Schwankungen zwischen den verschiedenen Baustoffen, aber auch zwischen Baustoffen derselben Art. Spitzenreiter war Granit, gefolgt von Schlacken, Ziegeln und Schamotten. Geringe Werte wiesen Beton-, Zement-, Verputz- und Gipsplattenproben auf. Besonders aktivitätsarm erwiesen sich Marmore, Bausande, Holz und der Dämmstoff Holzwolle. Hier einige Beispiele (Angaben in Becquerel/kg Baustoff): 
 
Baustoff
Kalium-40
Thorium-232
Radium-226
Granit
570‒1580
20‒140
10‒390
Ziegel
390‒1070
30‒100
20‒190
Schlacken
180‒540
25‒95
20‒530
Beton/Zement
190‒320
10‒30
10‒60
Ton/Lehm
520‒990
40‒50
30‒120
 
Auch das „Bundesamt für Strahlenforschung“ (www.bfs.de) untersuchte 1500 Proben von Natursteinen, Baumaterialien und mineralischen Reststoffen. Es wurden ähnliche Werte wie von den Kollegen aus Österreich ermittelt. Auch hier wurden gehörige Schwankungen in den Baumaterialien festgestellt. Als Beispiel füge ich die Werte von Granit und Ziegel an:
 
Granit:     600‒4000    Kalium-40; 17‒311     Thorium-232; 30‒500 Radium-226
Ziegel:    100‒2000     Kalium-40; 12‒200     Thorium-232; 10‒200 Radium-226.
 
Das Bundesamt für Strahlenforschung untersuchte ferner mit Unterstützung des Deutschen Naturwerkstein-Verbandes e.V. auch die Medianwerte der spezifischen Aktivität natürlicher Radionuklide in Naturwerksteinen. Bei den Naturwerksteinen lagen die Aktivitäten zwischen 10 und 1600 Bq/kg für Kalium-40, für Radium-226 zwischen kleiner als 10 Bq/kg und 355 Bq/kg und für Thorium-232 zwischen kleiner als 10 Bq/kg und 330 Bq/kg. Die geringsten Werte wurden in Kalkstein, Marmor, Serpentinit, Chloritschiefer, Dolomit und Travertin gemessen.
 
Untersuchte Naturwerksteine waren: Basalt, Chloritgneis, Chloritschiefer, Diorit, Dolomit, Gabbro, Gneis, Granit, Granitporphyr, Granodiorit, Kalkstein, Marmor, Paragneis, Sandstein, Serpentinit, Travertin (Tabelle unter www.bfs.de/de/ion/anthropg/baustoffe.html).
 
Geplant sind auf Grund einer anstehenden europäischen Regelung neue Untersuchungen der Strahlenexposition durch natürliche Radionuklide in Baustoffen.
 
Als vor vielen Jahren ein Arbeitskollege vor der Wahl von Baustoffen für einen Hausbau stand, entschied er sich wegen der geringen Radioaktivitätsbelastung für Holz. Er schützte sich auch vor Erdstrahlen und Wasseradern mit Abschirmgeräten. Er ist heute nicht gesünder als die Ungeschützten, im Gegenteil, er und seine Familienangehörigen haben öfters mit Erkältungskrankheiten zu tun. In einem anderen Fall schützte das Gerät nicht vor einer Krebskrankheit.
 
Eine bekannte Familie suchte beim Einzug in eine neue Wohnung penibel diese mit einer Wünschelrute auf mögliche Wasseradern ab. Sie fanden tatsächlich eine. Darauf besorgten sie sich ein Abschirmgerät und stellten ihre Betten keinesfalls auf solch einer Ader auf. Aber sie sind heute nicht gesünder als Menschen, denen die Adern wurst sind. Im Gegenteil, alle leiden unter Allergien und sonstigen Beschwerden.
 
Ein kleines Fazit
Inwieweit Baustoffe Krankheiten verursachen, kann ich nicht beurteilen. Es gibt dazu kaum Studien. Besonders vorsichtige Menschen bauen mit Marmor und Holz (unbestritten sorgt Holz für ein herrliches Raum- bzw. Wohnklima). Auch schwören manche auf Abschirmgeräte, die Erdstrahlen abschirmen sollen. Die Wirkung solcher Geräte wird stark angezweifelt. Es gibt jedoch Anwender, die solche Geräte nicht mehr missen wollen. Auf jeden Fall können diese sagen: „Ich habe alles für mich und meiner Familie getan, damit sie gesund bleiben.“ Aber, wie wir in den Beispielen ersehen konnten, gibt es auch unter den Vorsichtigen Krankheiten. Ich finde, bei einer erworbenen Krankheit spielen mehrere Faktoren eine Rolle.
 
Wenn die Schweizer das 2,5-fache an Strahlung aushalten können und dabei sich noch zu einem robusten Volk entwickelt haben, können wir Deutsche beruhigt sein.
 
Internet
www.badische-zeitung.de (diverse Artikel)
 
Literatur
Scholz, Heinz: „Mineralstoffe und Spurenelemente“, Trias Verlag, Stuttgart 1996.
 
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