Textatelier
BLOG vom: 20.02.2005

Die Füchse in England dürfen aufatmen

Autor: Emil Baschnonga

Ein grosser Tag nicht nur für mich und für alle, welche die Tiere in Feld und Wald lieben, sondern vor allem auch für die Füchse in England und in Wales: Seit gestern Samstag, 19. Februar 2005, ist dort die Fuchsjagd verboten. Allein dafür könnte ich Tony Blair – dem Irak-Krieg und allen seinen anderen Missgriffen zum Trotz – dankbar umarmen (obwohl er das wahrscheinlich kaum schätzen würde). Umarmen würde ich auch die Ex-Gattin des Kronprinzen Charles, Diana, wenn sie noch am Leben wäre. Als sie noch mit dem britischen Thronfolger verheiratet war, war sie nämlich mit dessen Jagdleidenschaft keineswegs einverstanden. Hingegen frönt dem Vernehmen nach die neue Verlobte von Charles, Camilla Parker-Bowles, dieser Leidenschaft ebenso wie ihr Liebster.

Die auf der Britischen Insel übliche Fuchsjagd ist eine Hetzjagd, eine der grausamsten Formen dieser Sportart der Aristokraten und Neureichen. Das gejagte Tier wird von den Jägern, Jägerinnen und der kläffenden Hundemeute eingekreist, sucht in Panik auf allen Seiten einen Fluchtweg. Der wird ihm versperrt, und wenn sich die hochwohllöbliche Jagdgesellschaft mit den von den Menschen zu Bestien dressierten Beagle-Hunden dem erschöpften Fuchs genügend angenähert hat, wird die Meute auf das Opfer gehetzt. Zur Belohnung „dürfen“ die Hunde dann ihre noch lebende Jagdbeute zerfleischen. Eine andere Variante besteht darin, den Fuchs von den Hunden aus seinem Bau ausgraben und dann von den erfolgreichen Jagdhelfern killen zu lassen.

Das Verbot der Fuchsjagd war nach jahrelangen Debatten im englischen Parlament von diesem im November 2004 beschlossen worden und trat, wie gesagt, gestern Samstag in Kraft. Laut einer Meldung der SDA hatte am 16. Februar 2005 ein Londoner Berufungsgericht einen Einspruch von Jagdfans zurückgewiesen. Alle Achtung vor diesen Richtern! Ich weiss nicht, ob sie auch Perücken tragen (vielleicht kann mir der in London wohnende Schweizer Schriftsteller Emil Baschnonga darüber Auskunft geben). Falls die Respekt heischende Perückenzierde kein Hemmnis darstellt, seien auch diese Richter von mir herzlich virtuell umarmt . . .

Schwieriger scheint es in dem jagdgewohnten und vom Jagdtourismus profitierenden Schottland zu sein, ein Verbot der Fuchsjagd mit Hundemeuten durchzusetzen. Zwar hat das schottische Parlament eine entsprechende Gesetzesvorlage schon vor jener von England verabschiedet. Bei Zuwiderhandlung sollen den Jägern sogar hohe Geldstrafen und bis zu 6 Monaten Gefängnis drohen. Bekanntlich weichen die englischen Jäger und wohl auch die aus dem Ausland anreisenden Jagdtouristen nach den nördlichen Gefilden der Insel aus, wo die Jagd ebenso zur Tradition gehört wie die (für mich betörenden) Dudelsack-Melodien. Viele gut betuchte Engländer unterhalten in Schottland Jagdreviere mit einem nicht unbescheidenen Zweitdomizil in dieser wildschönen Landschaft. Im Jahr 2003 sollen trotz des damals schon bestehenden schottischen Verbots Hetzjagden gegen Füchse stattgefunden haben. Ob dies heute immer noch der Fall ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Schottland ist eine für meine Begriffe weit entfernte Gegend, wo hinter geheimnisvoll wallenden Nebelschwaden manches geschieht, das für uns Kontinentaleuropäer undurchschaubar ist und bleibt. Trotzdem hoffe ich, dass die Fuchs-Hetzjagd und mit der Zeit auch andere Jagdsportarten der wilden schottischen Vergangenheit angehören.

Um auf Prinz Charles zurückzukommen: Laut dem oben erwähnten Depeschenagentur-Communiqué frönte er kurz vor Inkrafttreten des Fuchsjagd-Verbots noch einmal seiner makabren Leidenschaft. Der adlige Reiter und frisch Verlobte sei, so der „Daily Telegraph“, mit einer seiner liebsten Hundemeuten durch die Wälder von Derbyshire in Mittelengland gestreift. Anschliessend habe er sich mit seinen Mitjägern (oder Mitläufern?) in einem Pub einen Drink genehmigt und mit ihnen gescherzt – trotz des bevorstehenden Jagdverbots, schrieb der „Daily Telegraph“. Und sogar die „Times“ fand es nicht unter ihrer Würde, den Sprüche klopfenden Killer mit den Worten eines Mitjägers zu erwähnen: „Es wärmt einem das Herz, wenn man den Prinzen so eine öffentliche Stellungnahme abgeben sieht“, soll der begeisterte Jagdgenosse gesagt haben. Ob Charles allein oder mit seiner Verlobten an dieser Jagd teilnahm, wird in der obigen Meldung nicht erwähnt. Jedenfalls habe ich die grösste Mühe, mir die berühmt gewordene Camilla vorzustellen, wie sie mit Vergnügen in die verzweifelten Augen eines gehetzten Fuchses und dann in jene ihres verliebten Charles blickt. Eine Schizophrenie im wahrsten Sinn des Wortes . . .

Einige Zitate von grossen Geistern

„Wer tötet, wird getötet.“

Hermann Kesten (1900−1996)

„Das Leid der Kreatur und das Leid des Menschen gehören zusammen, und der Blick des geängstigten Tieres mahnt uns, Mensch zu werden in der Menschheit.“

Reinhold Schneider (1903−1958)

„Sittlichkeit ist nicht nur ein Verhalten gegenüber Menschen, sondern ein Verhalten gegenüber allem Lebendigen.“

Albert Schweitzer (1875−1965)

„Schon vor 500 Jahren schrieb der grosse Humanist Erasmus von Rotterdam (1466–1536) in seiner Schrift über das ‚Lob der Torheit’, zu den Verrückten dieser Welt gehörten auch ‚die Jagdwütigen, denen nichts über die Tierhetze geht und die ein unglaubliches Vergnügen zu empfinden meinen, sooft sie den widerwärtigen Schall der Jagdhörner und das Gebell der Meute hören. Fast möchte ich annehmen, dass sie den Hundekot wie Zimtgeruch empfinden!... Wenn sie dann ein Stückchen von dem Fleisch des Wildes kosten, kommen sie sich vollends fast geadelt vor. Während diese Menschen bei ständiger Jagd und Fresserei im Grunde nur ihre eigene Entartung erreichen, meinen sie doch ein königliches Leben zu führen.’

So war also die Jagd als Zeitvertreib schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts salonfähig. Traurig, dass wir in unserem 21. Jahrhundert noch nicht weitergekommen sind, als es die Menschheit im finsteren Mittelalter war.“

Aus dem Textatelier ("Die Jagd 'weidgerecht verblasen'“)

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