Textatelier
BLOG vom: 31.12.2011

Rostige Büchsen, Pflanzen und gute Neujahrswünsche

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Ein schöneres altes Paar habe ich wohl noch nie gesehen. Zwei rostige Konservenbüchsen auf einer Granitsteinmauer. Ob Mann oder Frau, ist einerlei. Es sind zwei Persönlichkeiten, aus denen Pflanzen spriessen. In Erde gesetzte Fetthennen, die ihre Ableger über den Rand fallen lassen. Der kleineren Person sind sie zur Haarpracht geworden, der grösseren zu einem Umhang. Der grossen hat der Wind noch Samen von Weideröschen zugetragen, und daraus ist eine wilde Haarpracht gewachsen.
 
Sie stehen auf unebenem Granit. Die grosse aufrechter als die kleine. Sie weicht der mächtigen Ausstrahlung des Kumpanen etwas aus, ohne Abneigung anzudeuten. Sie gehören doch zusammen.
 
An diesem Bild stimmt alles. Ob für eine Foto hingestellt oder schon immer so dagestanden, ist es die Abbildung eines gemeinsamen Lebens. Diese beiden gehören zusammen, sind eine Schicksalsgemeinschaft, auch wenn sie nur simple Blechbüchsen sind. Ich sehe sie als Lebewesen, als Personen. Sie schauen mich an, obwohl keine Augen sichtbar sind und ihr Gesicht nur erahnt werden kann.
 
Als Primo diesen Neujahrsgruss aus dem Umschlag nahm, sagte er, ganz ergriffen: Lueg emal das a. Zwei alti Blächbüchse roschtet vor sich hi. (Schau das an: Zwei alte Blechbüchsen rosten vor sich hin.)
 
Sagt nicht die Psychologie, dass wir unser Spiegelbild erkennen, wenn wir von einem Anblick gepackt sind, aus ganzem Herzen zustimmend oder aus ebensolchem ablehnend?
 
Also muss dieses Blechbüchsenbild etwas mit uns beiden zu tun haben. Mit unserem Alter, mit dem Rost, den wir hie und da schon spüren. Mit dem, was das Leben mit uns gemacht hat. Aber auch mit dem, was noch in uns wächst und ausstrahlt.
 
Mehr als viele wohlmeinenden Worte zum Jahreswechsel spricht dieses Bild Optimismus aus. Es wird uns ins neue Jahr begleiten.
 
Diese Karte wird von pro natura herausgegeben, gestaltet von Marco Volken. Titel Stilleben in Roseto, Valle Maggia TI.
 
Die Foto auf der Karte kann ich Ihnen hier nicht anfügen. Einen Glückwunsch für unsere Leserinnen und Leser habe ich aber gleichwohl vorbereitet. Einer, der vielleicht gut zu den rostigen Figuren passt. Wir entdeckten ihn in den 90er-Jahren auf einem Kalenderblatt als Alter ukrainischer Neujahrswunsch und liessen ihn drucken. Wie es sich dann herausstellte, wurde er von einem liebenswürdigen, humorvollen Schweizer verfasst. Er lautet: 
Gott schicke:
Den Tyrannen Läuse
Den Frauen Nerze
Den Einsamen Hunde
Den Kindern Schmetterlinge
Den Männern Wildschweine
Uns allen aber einen Adler
Der uns zu Ihm trage.
 
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