Textatelier
BLOG vom: 01.02.2012

Bank Wegelin ist weg: Kantersieg für US-Wirtschaftskrieger

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
                                          
Nehmen wir an, ein Juweliergeschäft werde von einem Rudel berühmt-berüchtigter Berufseinbrecher heimgesucht. Sie rauben den Laden aus und schlagen die gesamte Inneneinrichtung kaputt. Die Medien suchen dann nach den oder dem Schuldigen und orten ihn in der Person des Geschäftsinhabers. Dieser hätte halt besser auf seinen Goldschmuck und die Diamanten aufpassen müssen. Fehler gemacht. Und Fehler sind halt teuer, ruinös.
 
Solche Muster spielen sich immer wieder ab, wenn die US-Amerikaner ihre Raubzüge veranstalten. Ich habe unter anderem im Blog vom 07.09.2011 („Steuerstreit Schweiz-USA: Absolutes Recht des Stärkeren“) darauf hingewiesen. Und schon seit Jahren rufe ich dazu auf, sich vor US-Anlagen zu hüten, etwa im Blog vom 30.08.2009: „Hütet Euch vor US-Anlagen! Eine Absage ans Raubrittertum“. Doch noch immer fallen Banken und Anleger unverdrossen darauf herein, lernen nichts, aber auch gar nichts aus Fehlern. Auch andere Firmen können gar nicht genug von diesem Amerika bekommen – Roche will gerade den US-Gentechnikkonzern Illumina kaufen – und verbrennen sich eine nach der anderen die Finger. Ein Heer provisionsgeiler Advokaten lauert darauf, irgendwo einen Verstoss gegen die allmächtigen, als weltweit gültig erklärten, kuriosen US-Gesetze zu orten, um ihren Anteil aus Millionenbussen abzwacken zu können.
 
Das Ende der erfrischenden Anlagekommentare?
Als einer der wenigen Banker, der die US-Machenschaften nicht nur erkannte, sondern sogar öffentlich anzusprechen wagte, erschien mir Konrad Hummler vom St. Galler Bankhaus Wegelin & Co., dessen geistsprühende Anlagekommentare ich mir seit Jahren mit Erkenntnisgewinn zu Gemüte führte, eine Pflichtlektüre für finanzpolitisch Interessierte. Im Kommentar Nr. 275 von 21.03.2011 schrieb er: An einer kürzlich von unserem Bankhaus veranlassten Konferenz für Finanzintermediäre rechnete der in Boston lehrende Ökonom Laurence Kotlikoff den ,Fiscal Gap’ der USA vor. Als Finanzierungslücke wird die Differenz zwischen dem Gegenwartswert aller künftigen Ausgaben und allen künftigen fiskalischen Einnahmen bezeichnet. Kotlikoff beziffert sie mit 202 000 Milliarden US-Dollar oder vierzehnmal das amerikanische Bruttoinlandprodukt. Die 9000 Milliarden ausgewiesener Schulden seien rein willkürlicher Natur, Buchhaltungstricks sozusagen. Die USA seien ebenso pleite wie Griechenland.“
 
Selbstverständlich darf man solche kritischen Verrisse des US-Verhaltens nicht von sich geben, ohne bestraft zu werden. Im speziellen Fall kann man nämlich darauf schliessen, dass der ganze Zahlenschrott, mit dem die USA Börsen und Märkte bewegen, aus den Sphären der Fantasie kommen. Eigentlich müsste das schon jedermann aufgefallen sein, gerade auch den Herrschern über die Schweizer Bankenszene. Sie spielen aber die Gutgläubigen, nehmen alles für bare Münze und suchen sich in vorauseilendem Gehorsam gegen US-Eingriffe und -Raubzüge sowie duckmäuserischem Verhalten zu überbieten, sekundiert von Vasallen im Bundesrat. Als es um die Zerschlagung des Schweizer Bankgeheimnisses durch die USA und einige ebenfalls am Hungertuch nagende europäische Mitläuferstaaten, die auf den Geschmack kamen, ging, wagte niemand zu fragen, wieso denn eigentlich die USA Steuerschlupflöcher im eigenen Land (besonders Delaware, Florida und anderen) und die Engländer solche z. B. im britischen Überseegebiet (Kaimaninseln) unterhalten dürfen; in den eingangs erwähnten Blogs habe ich diese Thematik ausführlicher behandelt. Die USA kennen ein landesweites Bankgeheimnis. Was alle und insbesonderë die Amerikaner dürfen, darf die Schweiz nicht – es ist ähnlich wie in Bezug auf den Iran: Alle dürfen auch hintenherum Atombomben bauen (so etwa Israel), nur der Iran nicht.
 
Berechtigte Beben-Ahnungen
Die Grossbank UBS, die als erste in eine US-Affäre um Steuerhinterziehung verwickelt worden war, hat 780 Mio. USD bezahlt und als Geste der Unterwerfung die Namen von 4450 US-Kunden herausgegeben, kam also auf den Hund. Ein Präjudiz, das Appetit auf mehr hervorrief. Staaten und Institutionen werden vom globalen Terrorregime USA kaputt gemacht, wenn sie sich nicht freiwillig fügen. Banken in allen US-hörigen Ländern wird untersagt, mit einem Institut, das auf der Abschussliste steht, Geschäfte zu tätigen. Und es scheint, dass Herr Hummler das irgendwie voraussah, als er in seinem Anlagekommentar 275 sibyllinisch auch dies noch schrieb: Dass es Erdbeben gibt und dass diese verheerende Auswirkungen haben können, war und ist grundsätzlich bekannt. Kein Mensch hätte die Illusion, dass eine irdische Instanz ,es schon irgendwie richten wird’. Solide Bauweise und genügend Kapazitäten zur Katastrophenbewältigung sind in gefährdeten Gebieten unabdingbar.“
 
Und nun ist ein solches Erdbeben über das älteste Schweizer Bankhaus hereingebrochen: über die Privatbank Wegelin, die sich seit 1741 halten und wachsen konnte und sich eines ausgezeichneten Rufs erfreute. 700 Mitarbeiter verwalteten Kundenvermögen von 24 Milliarden CHF. Sie kapitulierte vor den US-Drohungen. Ob auch hier ein Whistleblower den Amerikanern Daten zuspielte, wird noch abzuklären sein.
 
Die Amerikaner machen Fortschritte
Die Bekanntgabe des teilweisen Wegelin-Verkaufs (als Notenstein Privatbank) an Raiffeisen und der Auslagerung gefährlicher Positionen in eine Bad Bank (fürs Amerika-Geschäft) erfolgte nur 1 Tag, nachdem Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf bei Verbreitung von Zuversicht von ihren Plänen, aus der individualistischen Schweiz ein globales Massenprodukt zu machen, ablenkte. Sie hausiert geradezu mit ihrer Bereitschaft zum Aufgeben des Bankgeheimnisses. Bei ihrem Treffen mit US-Finanzminister Timothy Geithner zu Beginn des Weltwirtschaftsforums WEF in Davos habe sie klar gemacht, wo die Interessen der Schweiz lägen (ohne der Öffentlichkeit mitzuteilen, wo diese ihrer Ansicht nach sind), verkündete sie. Geithner habe sich bereit erklärt, sich um die Sache zu kümmern, fügte sie nichtssagend bei. Sie rechne damit, dass der Steuerstreit mit den USA noch dieses Jahr 2012 beigelegt werden könne.
 
Das bedeutet im Klartext nach allen Erfahrungen mit den allgemein bekannten Schlumpf’schen Verdrehungskünsten, dass es dann kein Bankgeheimnis mehr geben wird (sie will zudem in der Schweiz die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung abschaffen). Wohl in diesem Sinne hat Geithner „Fortschritte der Schweiz“ ausdrücklich anerkannt, von denen die Finanzministerin sprach. Und dies nicht nur in Bezug auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA, sondern auch bei der Weissgeldstrategie insgesamt. Und wenn der IWF mehr Geld von der Schweiz will, signalisiert die ausgesprochen ausgabenfreudige Finanzministerin sofort Zahlungsbereitschaft.
 
Man ahnt, was „Fortschritte“ aus US-Sicht sind ... Ein grosser US-Fortschritt und -Erfolg ist die Zerschlagung der Bank Wegelin und damit die Zerstörung von Hummlers Lebenswerk, wozu sich dann die Bundespräsidentin nicht mehr äussern mochte. Am WEF in Davos sagte sie bloss, sie bedaure das, könne sich aber nicht weiter dazu äussern. Das ist klar und hätte ja auch nichts gebracht. Selbst wenn sie abwechslungshalber die Wahrheit sagen würde, glaubte man ihr nicht. Man kann das nicht den Verschwörungstheorien zuordnen, sondern vielmehr schlicht und ergreifend den Erfahrungswerten. Und CVP-Bundesrätin Doris Leuthard, linkslastige Anti-Schweizerin und Globalisiererin, anerkannte sofort die Fehler der Schweizer Banken, als das Haus Wegelin zerschlagen war.
 
Sozusagen gleichzeitig bot Widmer-Schlumpf den Amerikanern Millionen von E-Mails von CH-Banken wie der CS und ihren US-Kunden an – verschlüsselt für den späteren Gebrauch, wieder ein fauler Trick zur Beschönigung des neuesten, vorauseilenden Kniefall-Skandals. Was nützen denn verschlüsselte Daten? Als ob die Amerikaner die brisante Ware nicht decodieren könnten! Wahrscheinlich ist diese Frei-Haus-Lieferung von Daten ein Verstoss gegen die Schweizer Gesetzgebung, der dringend verfolgt werden muss - gibt es denn keine Rechtsstaatlichkeit mehr oder überlagert US-Recht nationale Gesetzgebungen? Von solch einem Blödsinn – der Lieferung verschlüsselter Daten ohne Schlüssel – habe ich noch selten gehört. Ist solch eine Finanzministerin überhaupt noch tragbar? Was haben wir für einen Bundesrat! Mögen sich die Damen doch gerade in Washington oder New York niederlassen! Und bitte dort bleiben.
 
Die Vorgeschichte
Neben der Bank Wegelin, ideal zur Exempelstatuierung, sind 10 weitere Schweizer Banken im Fadenkreuz der beutegierigen US-Wirtschaftskrieger, darunter die Credit Suisse (CS) und die Kantonalbanken von Basel und Zürich, die mit einer Staatsgarantie ausgestattet sind. Die Amerikaner verlangen die Herausgabe der Namen von mutmasslichen Steuersündern. Eine Überprüfung von Kunden der Schweizer Banken durch die USA auf eine blosse Vermutung hin widerspricht jedem gesunden Rechtsempfinden und damit auch dem geltenden Schweizer Recht und dem Schweizer Bankgeheimnis, beziehungsweise dem, was davon noch hinterblieben ist. Das sind Wildwestmethoden, mit denen schon die indianische Hochkultur im Interesse der kriegerischen, trivialen Ausbeutungskultur der bewaffneten europäischen Einwanderer vernichtet wurde.
 
Konrad Hummler haftet zusammen mit 5 Teilhabern persönlich unbeschränkt für seine Bank (Kommanditmodell), eine zwar ehrenhafte Haltung, aber im gegebenen kriminalisierten und globalisierten Umfeld ein unverzeihlicher Fehler. Das zwang ihn nun zum Verkauf und zum Aufsplitten seines Instituts, um während des Kreisens der US-Geier noch zu retten, was zu retten ist. Die Bedrohungslage hatte er nie so ganz ernst genommen, und er wagte es, frisch von der Leber weg zu schreiben. Aber als für die Bank das selige Ende gekommen war, blieb ein Anlagekommentar aus. Unverzeihlich. Viele Kunden zogen ihr Vermögen ab.
 
Mitte 2009 verkündete Hummler öffentlich den Ausstieg aus dem US-Geschäft, ein Anklang ans Motto „Amerika den Amerikanern“, abgewandelt vom Projekt einer gesamtamerikanischen Freihandelszone (ALCA/FTAA). Er wollte also mit den USA nichts mehr zu tun haben, was mir imponierte. Die Praxis sah weniger konsequent aus. Von einem Bekannten, der aufgrund dieser Ankündigung einen Teil seines Vermögens zur Bank Wegelin transferierte, erfuhr ich, dass man ihm gegen seinen ausdrücklichen Wunsch dennoch in USD denominierte Titel (als Fonds-Bestandteile) ins Portfolio eingeschleust hatte, was meinen Glauben an die Bank erschütterte.
 
Die Bank Wegelin, die sich betont US-kritisch gab, wurde von der US-Justiz zu einer vorderen Zielscheibe auserkoren, ein Testfall für weitere Vernichtungskriege. Es begann damit, dass die US-Behörden zum Jahresbeginn 2012 3 in der Schweiz tätige Banker der Privatbank Wegelin einklagten. Laut der Anklageschrift sollen sie in den Jahren zwischen 2005 und 2010 amerikanischen Kunden geholfen haben, Gelder in der Höhe von mindestens 1,2 Mrd. USD vor dem US-Fiskus in Sicherheit zu bringen. Die Teilhaber der Bank sollen – gemäss der Anklageschrift – beschlossen haben, die bei der UBS ausgeschlossenen Offshore-Kunden aus den USA und ihre undeklarierten Vermögen zu übernehmen. Die Amerikaner bereiteten zudem rechtliche Schritte gegen die gesamte Privatbank Wegelin vor. Vor wenigen Tagen beurlaubte die Bank den Teilhaber Christian Hafner, welcher die Zürcher Niederlassung leitete. Er wird in der Anklageschrift „Mitverschwörer“ genannt (Quelle: NZZ; Hummler ist bei dieser Zeitung Verwaltungsratspräsident). Bereits 2008 beschattete das FBI einen Wegelin-Direktor und verhaftete ihn im Oktober 2010 in Miami. Er wurde später für versuchte Geldwäscherei verurteilt und von der Bank entlassen.
 
Notensteine
Das Debakel, das viele Väter hat, ist damit komplett. Und schon tauchen Phönixe aus der Asche auf. Adrian Künzi, der Chef der Notenstein Privatbank und früherer Leiter von Wegelin in der Westschweiz, wertete die Übernahme als historischen Moment ... eine neue Bank werde geboren. Künzi sprach von einem Juwel, das den Besitzer wechsle.
 
Der Name Notenstein (später auch Nothveststein) geht auf eine gesellschaftliche Vereinigung der grösseren St. Galler Leinwandexportfirmen vom 15. Jahrhundert bis 1799 zurück, die aber keine politische Bedeutung hatte. 1798 entschieden die Behörden von St. Gallen, dass nur die Mitglieder der alten Notensteinergeschlechter und die von ihnen in direkter Linie Abstammenden zur Mitgliedschaft berechtigt seien. Am Ende des 18. Jahrhunderts waren das die von Zili, von Zollikofer-von Altenklingen, von Nenggensperg, Schlumpf, von Schobiger, von Fels, von Scherer und von Gonzenbach (Quelle: „Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz“, 5. Band, Neuenburg 1929).
 
Dass hier der Name Schlumpf auftaucht, hat mich irgendwie amüsiert. In diesen finanzwirtschaftlich trostlosen Zeiten ist man schliesslich für jeden Gag dankbar, sowohl im Finanzbereich als auch auf ganz anderen Gebieten: Als beispielsweise am 26.01.2011 ein Stromausfall die Zürcher Stadtkreise 1, 6 und 8 lahmlegte und damit die Folgen der modernen Ausstiegsenergiepolitik vorweg nahm, spielten die Medien das Debakel herunter, soweit es nur ging. „Ist doch witzig“, las man in „20 Minuten“.
 
Und so wird denn der Wegelin-Ausfall zur Geburt eines Kleinods. Witzig! Niedlich! Die Unterwerfung unter die USA zahlt sich also aus. Und wie! Der Grossangriff auf den Schweizer Finanzplatz, den der ehemalige UBS-Chef Oswald Grübel laut „Der Sonntag" kommen sieht, wird also bestimmt noch viel Schönes bringen.
 
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