Textatelier
BLOG vom: 04.02.2012

Lebenselixier Wasser (1): Ist destilliertes Wasser ungesund?

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Im Allgemeinen bestehen Unsicherheiten, welches Wasser das beste für unseren Organismus ist. Die einen schwören auf Quellwasser, Brunnenwasser, Leitungswasser, Mineralwasser oder destilliertes Wasser. Hierzu eine am 29.01.2012 per E-Mail übermittelte Leseranfrage von Rolf P. Hess (Cebu, Philippinen):
 
„Vor Jahren habe ich gelesen, dass destilliertes Wasser sehr ungesund sei. In einem Laden in Australien habe ich eine Flasche destilliertes Wasser gesehen, auf dessen Etikett ein pH-Wert von 5,0 stand. Es gibt im Internet viele Artikel, die besagen, dass das Trinken von destilliertem Wasser zu einem frühen Tod führen wird. In dem Buch ,The PH Miracle’ von Dr. Robert Young wird beschrieben, dass destilliertes Wasser sehr säurewirkend sei. Er betont dann, dass Kokosnusswasser das einzige Getränk ist, das alkalisch wirkt.
 
Rolf hat sich in den USA ein pH-Meter gekauft, um sein Leitungswasser bzw. diverse Getränke zu messen. Das Leitungswasser an seinem Wohnort, aufbereitet durch Reverse Osmosis (halb Meer- halb normales Wasser), hat einen pH-Wert von 8,5 (das entspricht der Zielvorgabe des Produzenten). Die weiteren Ergebnisse seiner Untersuchungen: Destilliertes Trinkwasser aus dem Supermarkt: pH 7,8, reines Kokosnusswasser aus einer frischen Kokosnuss: pH 5,3, Kalamansi Saft (ähnlich wie kleine grüne Zitronen): pH 3,3. Rolf wunderte sich, warum destilliertes Wasser einen leicht alkalischen pH-Wert hat.
 
Bei meiner früheren Tätigkeit bei Ciba-Geigy (später Novartis) destillierten wir im Analytischen Labor das Wasser selbst. Dieses Wasser hatte keinen neutralen pH-Wert von 7,0, sondern einen solchen von etwa 6,8. Das destillierte Wasser nimmt nämlich mehr Kohlendioxid aus der Luft auf als das normale Trinkwasser (im Wasser bildet sich Kohlensäure). Deshalb ist es leicht sauer. Warum das im Supermarkt erhältliche destillierte Wasser leicht alkalisch ist, könnte man so erklären, dass es eben anders aufbereitet wurde. Es könnten sich aber auch alkalische Bestandteile aus der Kunststoffflasche herausgelöst haben.
 
Unser Trinkwasser in Schopfheim D, das als sehr gut beurteilt wird, ergab laut einer Analyse im Herbst 2011 einen pH-Wert von 7,74 und eine Gesamthärte von 5,2. Wir haben also ein weiches Wasser, deshalb benötigen wir für die Wasch- und Spülmaschine keinen Wasserenthärter.
 
Warum das Kokosnusswasser leicht sauer reagiert, ist wohl so zu erklären: Das Kokosnusswasser enthält etwas Säure, Vitamin C und etliche Mineralstoffe. Das Kokosnusswasser ist ein isotonisches und gesundes Getränk. Über dieses Wasser werde ich ein gesondertes Blog verfassen.
 
Filtersysteme des Handels
Unser Trinkwasser wird laufend auf Schadstoffe untersucht. Grenzwerte dürfen nicht überschritten werden. Ist dies der Fall, verwenden Wasserwerke entsprechende Filter, um den Schadstoffanteil zu reduzieren. Filter können dort sinnvoll sein, wo Trinkwasser aus Privatbrunnen stammt oder durch alte Wasserleitungen fliesst (vor allem saures Wasser löst Schwermetalle heraus!).
 
Bevor man einen Filter verwendet, sollte eine Wasseranalyse durchgeführt werden. Erst dann wird entschieden, welches Filtersystem zur Schadstoffreduzierung in Frage kommt.
 
Erst kürzlich wollte eine Bekannte von mir wissen, wer Wasseranalysen durchführt. Sie will nämlich das Trinkwasser in ihren 3 Häusern untersuchen lassen. Sie vermutet, dass Schadstoffe aus den alten Rohrleitungen herausgelöst werden könnten. Ich empfahl ihr einige Labors. Dann sagte sie, nachdem sie die Leistungen von Labors studiert hatte: „Mal sehen, was ist, wenn ich es dann weiss, oh je – was ich nicht weiss, macht mir nicht heiss.“ Wichtig ist in diesen oder ähnlichen Fällen nicht das stillschweigende Schlucken von Schadstoffen, sondern den Tatsachen ins Auge zu sehen und dann handeln, um diese Giftstoffe zu eliminieren.
 
Betrachten wir einmal das Blei. Besonders in Nord- und Ostdeutschland wurden Grenzwertüberschreitungen ermittelt. In der Gegend um Leipzig waren sogar mehr als 15 % der Proben mit mehr als 40 Mikrogramm (mcg) Blei je Liter belastet. Eine neue Trinkwasserverordnung für das Jahr 2013 sieht vor, den Richtwert von derzeit 40 mcg je Liter auf 10 mcg je Liter zu reduzieren. Bis zu Beginn der Verordnung soll ein Mittelwert von 25 mcg pro Liter gelten (www.medfuehrer.de). Grund für die Belastung dürften veraltete Rohrsysteme in den Gebäuden sein. Entscheidend ist auch, wie lange das Wasser mit den Rohren in Kontakt getreten ist. Wenn der Wasserhahn 1 Stunde nicht aufgedreht ist, steigt die Konzentration an Blei im Wasser. Deshalb sollte man das Wasser vor Gebrauch einige Minuten durchlaufen lassen.
 
Folgende Filtersysteme sind im Handel (ausführliche Infos unter www.info-wasserfilter.de):
 
Aktivkohlefilter entfernen chlorierte Kohlenwasserstoffe, Pestizide, Schwebstoffe, Chlor, unerwünschte Geruchs und Geschmacksstoffe, partikuläres Blei, entfernen keine Mineralien wie z. B. Magnesium, Kalzium oder Kalium, wie dies bei der Umkehrosmose der Fall ist.
 
Ionenaustauscher/Wasserenthärter entfernen gelöstes Blei (Blei-Ionen), Aluminium-, Schwermetall-, Magnesium-, Kalzium- und Eisen-Ionen. Hartes Wasser wird in weiches umgewandelt.
 
Umkehrosmose (hier wird mit Hilfe des Wasserdrucks Wasser durch eine halbdurchlässige Membrane mit extrem kleinen Poren gepresst) entfernt Nitrat, gelöstes und partikuläres Blei, Pestizide, Chlor, Lösungsmittel, Chlorkohlenwasserstoffe, Kalzium und Magnesium.
 
KDF-Wasserfilter bestehen aus hochreinen granulierten Kupfer- und Zink-Legierungen. Wasser wird unter Verwendung einer elektrochemischen Reaktion aufbereitet und gereinigt. Chlor, Pilze, Algen, Kadmium, Aluminium, Schwefelwasserstoff, Eisen, Arsen, Blei, Quecksilber und andere anorganische Verbindungen werden entfernt. Fluorid, organische Schadstoffe und Chemikalien werden nicht entfernt. Diese Filter sind besser als solche mit Ionenaustauscher.
 
Destilliergeräte entfernen Arsen, Bakterien, Schwermetalle, Chlorid, Phenol, Dioxin, Fluorsalze, Kalzium, Magnesium, Nitrat. Nachteil: Alle gesunden Mineralien werden aus dem Wasser entfernt. Entfernt werden jedoch nicht die flüchtigen organischen Verbindungen (diese kondensieren wieder im aufgefangenen Wasser).
 
Ist destilliertes Wasser ungesund?
Während meiner Tätigkeit im Analytischen Labor von Ciba-Geigy destillierten wir mit einer Apparatur aus Leitungswasser destilliertes Wasser (Aqua destillata), das wir für besondere Untersuchungen benötigten. Eines Tages kam ein Mitarbeiter aus einer anderen Abteilung zu uns und bat um destilliertes Wasser. Er hatte nämlich keine Destillationsapparatur zu Hause und war nicht immer bereit, teures destilliertes Wasser im Handel zu kaufen. Wir gaben ihm kleine Portionen ab. Er war der Ansicht, dieses Wasser sei besonders gesund, weil es kein Nitrat, keine Schwermetalle und pathogene Keime enthält. Wie er betonte, trank er täglich solches Wasser. Er war felsenfest überzeugt, dieses Wasser sei das beste auf der Welt. Auf meine Frage, was dieses Wasser bei ihm bewirke, antwortete er, dass dieses Wasser entschlacke und ihm gut tue.
 
Auch wurde immer wieder geäussert, dass bei Aufnahme von destilliertem Wasser die Zellen platzen würden. Das ist Unsinn. Blutzellen können nur dann platzen, wenn man destilliertes Wasser per Infusion in die Blutbahn bringt. Deshalb verwendet man isotonische Lösungen bei Infusionen.
 
Das Trinken von destilliertem Wasser ist wenig folgenschwer, da durch die aufgenommene Nahrung Mineralstoffe freigesetzt werden. Die Zellen kommen dann gar nicht mit destilliertem Wasser in Berührung. Eine Gefahr geht auch nicht von Tee oder Kaffee aus, wenn diese mit destilliertem Wasser zubereitet werden.
 
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) warnt vor dem ausschliesslichen Gebrauch von destilliertem Wasser. „Denn insbesondere bei einer einseitigen Ernährung entzöge das Destillat den Zellen auf Dauer Kalium- und Natriumionen und bringe so den Elektrolythaushalt des Körpers durcheinander“ (www.spektrum.de). Besonders bei Fastenkuren, Abführmittelmissbrauch oder einseitigen Diäten bekommt der Körper nicht genügend Mineralstoffe und das kann sich negativ auf unseren Körper auswirken (z. B. entstehen Krämpfe durch Magnesiummangel).
 
Persönlich käme ich nie auf den Gedanken, destilliertes Wasser zu trinken. Es schmeckt einfach nicht (gerade die gesunden Inhaltsstoffe des Wassers beeinflussen den Geschmack). Es gibt ja hervorragende Mineralwässer und gutes Trinkwasser aus sauberen Leitungen.
 
Ist Mineralwasser ursprünglich und rein?
Natürliches Mineralwasser ist oft Jahrtausende alt. Es muss aus unterirdischen, natürlich oder künstlich erschlossenen Quellen stammen und von „ursprünglicher Reinheit“ sein. Dies bedeutet, dass keine Mineralstoffe zugeführt werden dürfen. Zugelassen in den Mineralwasser produzierenden Ländern ist jedoch ein Entzug von Eisen- und Schwefelsalzen und der Entzug oder die Zugabe von Kohlensäure. Warum der Entzug dieser Verbindungen? Das Eisen würde ausflocken, und die Schwefelverbindungen würden dem Wasser einen fauligen Geruch geben. Auch Arsen und Mangan dürfen entfernt werden. Ausserhalb der EU ist eine Entkeimung durch Bestrahlung zum Teil Vorschrift, oft auch unnötigerweise. Ausländisches Wasser, das eingeführt wird, darf nicht bestrahlt worden sein, da laut EU-Recht eine Bestrahlung von Mineralwasser unzulässig ist (Ozon ist jedoch erlaubt).
 
Die Abfüllung von Mineralwasser muss direkt an der Quelle erfolgen, und ein Abtransport in Tankwagen ist nicht erlaubt.
 
Im 2. Teil werde ich auf die Bedeutung des Wassers für den Organismus eingehen.
 
Internet
www.spektrum.de („Darf man destilliertes Wasser trinken?“)
www.n-tv.de („Ist destilliertes Wasser schädlich?“)
www.medfuehrer.de („Destilliertes Wasser – gesund oder bedenklich?“)
 
Literatur
Scholz, Heinz: „Mineralstoffe und Spurenelemente“, Trias Verlag, Stuttgart 1996.
Scholz, Heinz: „Richtig gut einkaufen“ (Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag), Verlag Textatelier.com, Biberstein 2005.
 
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