Textatelier
BLOG vom: 19.07.2012

Südtirol 3: Harpfen, Messner Hütte, Pferdefant von Brixen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 3. Wandertag in Südtirol unternahmen wir eine Tour zur Messner Hütte. Wie ich im Vorfeld schon gehört hatte, hat diese Almhütte eine schöne Sonnenterrasse, ist leicht von St. Magdalena aus zu erreichen und bietet Südtiroler Spezialitäten und traditionelle Almgerichte an. Da lief mir schon vorher das Wasser im Munde zusammen.
 
Die bewirtschafteten Almhütten haben vom Frühling („Alm-Erwachen“ jeweils am 20.05.) bis in den Herbst („Alm-Kehraus“ im Oktober) geöffnet.
 
3. Wandertag: Auf zur Almhütte!
Wir wanderten auf dem Talblickweg oberhalb dem Ortsteil Huiben und kamen zunächst zu einer „Harpfe“. Dieser Ausdruck wird von der äusseren Gestalt vom Musikinstrument „Harfe“ abgeleitet. Es ist ein leiterähnliches Holzgerüst zum Trocknen und Nachreifen von Getreidegarben und Hülsenfrüchten. Auf einer Infotafel stand u. a. dies: „Sie sind Zeugen slawischer Besiedelung und gehören zur Kulturlandschaft des Hochpustertals. Um im Herbst die Kornäcker wieder zur Aussaat des Herbstgetreides vorbereiten zu können, mussten die Garben (Strohbündel), wenn sie noch feucht und noch nicht ausgereift waren, vom Acker entfernt und auf den Harpfen zum Trocknen und Nachreifen zwischengelagert werden. Ende Oktober, wenn der Bauer Zeit dazu fand, holte er sie zum Dreschen in die Scheune.“
 
Auf dem Rückweg sahen wir in St. Magdalena noch eine 2. Harpfe.
 
Zurück zur Wanderung: Vom Talblickweg ausgehend erreichten wir den Eichhörnchenpfad und frequentierten die Ochsenweide. Vielleicht kommt der Name daher, dass früher viele Ochsen hier oben weideten. Wir sahen jedoch nur mit Kuhglocken behängte junge Rindviecher, die teilweise auf den schmalen Wanderpfaden lagen. Als wir Zweibeiner näher kamen, machten sie freundlicherweise den Weg frei. Bernd näherte sich einer Kuh und fütterte sie mit saftigem Gras. Zum Glück war kein Bulle in der Nähe, denn sonst hätte es eine Verfolgungsjagd gegeben.
 
Bei dieser Gelegenheit erinnere ich mich an eine Almdurchquerung im Allgäu vor vielen Jahren, als meine Schwester von einem Bullen über die Wiese gejagt wurde. Sie war jedoch schneller und erreichte einen schützenden Zaun.
 
An einer anderen Stelle weideten Pferde, die auch friedlich waren und die Wanderer keines Blickes würdigten. Ab und zu gab es einen kleinen Regenguss. Wir waren dauernd beschäftigt, den Regenschutz an- und auszuziehen. Aber bald hatten wir wieder Sonnenschein.
 
Kurz vor unserem Ziel, der Messner Hütte, gingen wir an der Kradorfer Almhütte (1704 m) vorbei, tranken an einem Brunnen, der sich in der Nähe befand, das klare, frisch schmeckende Wasser und erreichten nach 1,5 Stunden die Messner Hütte (1659 m).
 
Wir nahmen auf der Sonnenterrasse an einem Holztisch Platz und liessen uns zunächst die Sonne auf den Pelz brennen (die feuchten Unterhemden wurden gewechselt und die schweissnassen zum Trocknen gebracht).
 
Dann bestellten wir Getränke und traditionelle Almgerichte. Bernd und ich tranken die köstliche Almmilch (200 ml für 1 Euro), anschliessend Sanddornsaft (Glas für 1,50 Euro). Toni verzehrte eine Kaminwurz (5 Euro) mit bestem Bauernbrot. Da Toni immer schon von einem Kaiserschmarrn mit Preiselbeeren auf den Hütten in den höchsten Tönen schwärmte, konnte ich nicht umhin, einen solchen zu bestellen (7 Euro). Er schmeckte köstlich. Er war der Beste, den ich je gegessen hatte. Geschmacklich kamen die Schmarrn in den Gaststätten im Tal oder anderswo an diesem nicht heran. Der knusprige und mit Puderzucker bestäubte Schmarrn war aus reichlich Eiern hergestellt (das war an der gelben Farbe zu erkennen).
 
Oft wird dies behauptet: „Südtirol ist ein Garten Eden, ein Paradies mit reichen Früchten und voller Genüsse.“ Dieser euphorischen Charakterisierung aus der Broschüre „DelikatESSEN vom Bauern“ kann ich vollumfänglich zustimmen.
 
Nach dem Mittagsmahl ging es weiter in Richtung Hinterbergkofel Alm und nach Acherle (1867 m). Hier war ein Mann mit dem Mähen von Gras an einem Steilhang beschäftigt. Er lenkte ein motorisiertes Vehikel mit Spezialreifen und schob diesen Stück für Stück am Hang entlang. Unten am Hang wendete seine Frau mit einer Gabel das Gras. Es war eine mühevolle Arbeit. Oben auf der Anhöhe, in der Nähe einer Hütte, sprangen 1 Mädchen und 2 Jungs herum. Sie hatten Ferien und genossen die gute Almluft. Ein vielleicht 10-jähriger Bursche schwang eine Mistgabel. Er hatte wohl keine Lust, beim Wenden des Grases zu helfen.
 
Auf schmalen Wegen ging es auf dem Bergweg 53 a zum Weiler Ampfertal (1597 m). Wir überquerten in der Nähe eines kleinen Wasserfalls eine Brücke, dann wurde der anfangs schmale Weg wieder breiter. Später wurde der steinige Weg beim Abstieg nach St. Magdalena wieder abschüssiger. Man musste die Wurzeln und Steine elegant umgehen. An ungefährlichen Stellen konnte ich jedoch die Alpenflora bestaunen. Ich erblickte beispielsweise den Goldpippau, die blauviolett blühende Teufelskralle, rosafarbene Schafgarben und die goldgelb blühende Arnika.
 
Nach etwa 3,5 Stunden Wanderzeit (Höhenunterschied: 450 m) erreichten wir wieder St. Magdalena.
 
4. Wandertag: Plose, Ochsenalm und Brixen
Am 4. Wandertag standen der Hausberg von Brixen, die Plose (2504 m), Brixen (Bressanone) und das Kloster Neustift (Novacella) auf dem Plan. Toni fuhr uns nach Brixen und auf kurvenreichen Strecken bis zur Plose-Bergstation. Die Ziele waren mir schon bekannt. Anlässlich einer Vortragsserie im Oktober 2006 wanderten wir schon einmal auf diesem Berg, lernten Brixen und das Kloster kennen. Es ist immer ein erbauliches Gefühl, wenn man später schöne und interessante Orte wieder aufsucht.
 
Die Wanderung erfolgte auf schmalen Bergpfaden zur Ochsenalm. Auf den Weg dorthin kamen wir an vielen Sträuchern der Alpenrose vorbei. Ein herrlicher Anblick. Auf der Ochsenalm verzehrte ich eine gut schmeckende Gemüsesuppe.
 
Bei meinem 1. Besuch 2006 waren nur Plumpsklos vorhanden. Diese standen immer noch da. Aber es gab eine Neuerung: Je ein Wasserklosett für Damen und Herren.
 
Dann ging es auf demselben Weg zurück. Immer wieder hatten wir einen herrlichen Blick auf das tief unten liegende Brixen. Nach der 3-stündigen Wanderung fuhren wir nach Brixen zurück.
 
Der Pferdefant in Brixen (Bressanone)
Brixen ist die älteste Stadt Südtirols und hat viele Kunstschätze zu bieten. Man kann das wunderbare Ambiente der historischen Stadt geniessen. Sehr schön sind die malerischen Fassaden der Häuser. Unter den heimeligen Lauben sind Restaurants, Weinstuben und Ladengewölbe verborgen. Der Rundgang durch die Altstadt von Brixen ist nicht beschwerlich, da alles auf einem Geviert von 400 m Seitenlänge zu erreichen ist. Auch Frauen mit Stöckelschuhen können die meisten Wege problemlos bewältigen, da es kaum Kopfsteinpflaster und sonstige Fussfallen gibt. Es gab also kaum solche Stolperfallen, dafür viele sehr schöne junge Frauen und junge Mütter mit ihren Kleinkindern, die hier flanierten oder in Cafés sassen.
 
Wir kamen auch an der Gaststätte „Finsterwirt“ vorbei. Der Name stammt nicht von einem finster dreinblickenden Wirt, sondern hier durfte früher wegen der Domnähe nur bis zum Einbruch der Dunkelheit ausgeschenkt werden.
 
Die am Fluss Eisack gelegene Stadt Brixen hat eine 1000-jährige Geschichte zu bieten. Die Stadt blieb während des ganzen Mittelalters Zentrum von Kunst und Bildung. Heute ist Brixen mit seinen knapp 20 000 Einwohnern eine beliebte Kurstadt, eine Stätte vieler Kunstdenkmäler und wertvollen Sammlungen.
 
Besonders beeindruckend fand ich den Dom Maria Himmelfahrt. Es ist ein barocker Neubau, der von 1745−1754 erbaut worden ist. Sehr zu empfehlen ist die Besichtigung des Kreuzgangs. Der frei zugängliche Kreuzgang ist ein grossartiges Bauwerk der Romantik mit Gewölben des 14. Jahrhunderts. An den Decken und Wänden sind herrliche gotische Fresken zu sehen. Der Domkreuzgang wird zu Recht als das grösste Denkmal alpenländischer Wandmalerei bezeichnet. Von den 20 Arkaden sind 15 bemalt. Unter den unbemalten Arkaden boten früher Händler ihre Waren feil.
 
Eine Besonderheit ist der Pferdefant in der 3. Arkade im Kreuzgang. Man muss jedoch sein Hälschen strecken, um diesen zu betrachten. Der Schöpfer dieses Tieres war Meister Leonhard von Brixen. Da der Maler von Madonnen und Heiligen selbst nie einen Dickhäuter gesehen hatte, malte er um 1470 den Elefanten nach dem Hörensagen. Er malte ein sonderbares Tier, das einem Pferd ähnelte. Das „Pferd“ hat jedoch lappenähnliche Ohren und einen Rüssel. Der Maler pinselte dann noch einige Hautfalten statt der Mähne in seinen Pferdefant. Auf dem Rücken des Pferdefants befindet sich ein Tragegestell, in dem 4 Soldaten mit Lanzen bewaffnet herausschauen. Zwischen den Beinen des Pferdefants liegt ein Besiegter.
 
Der Wunderbrunnen und die Engelsburg
Unser letztes Ziel an diesem Tag war das Kloster Neustift (Novacella), ein Augustiner-Chorherrenstift. Toni parkierte am Eingang zum Kloster. Hier befanden sich Beete mit blühenden Sonnenhutpflanzen.
 
In den Höfen und im Vorfeld des Klosters sind einige Sehenswürdigkeiten zu betrachten. Es gibt einen Kräutergarten, den Türkenturm, den Stiftskeller, den Wunderbrunnen und die Engelsburg. In diesem Gebäude wurden früher Pilger untergebracht. Die Benennung „Engelsburg“ entstand wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Engelsburg in Rom.
 
In der Nähe der Engelsburg durchschritt ich ein Tor und was sah ich? Keine Kräuter, sondern ein grosse Anbaufläche von Weinreben. Auch an anderen Hängen um das Kloster herum sind Weingärten zu sehen. Wie ich mir sagen liess, gehören zum Kloster Wälder, Felder, Weinberge, Weingüter (auch bei Bozen sind solche Weingüter) und eine Stiftskellerei. Hier kann man sich an vielen erlesenen Weiss- und Rotweinen erlaben. In der Klosterschenke probierten die Weinfreunde aus unserer Wandergruppe einen guten Tropfen Wein.
 
In der Mitte des Stiftshofs steht der Wunderbrunnen. Er diente früher zur Wasserversorgung des Stifts. Er wurde bereits 1508 gegraben. In den Giebelfeldern der zierlichen Pagode sind die 7 klassischen Weltwunder dargestellt. In das 8. Feld wurde ein Bild des Klosters Neustift eingesetzt.
 
Höhepunkt war die Besichtigung der „Stiftskirche zu Unserer Lieben Frau“. Sie wurde im 18. Jahrhundert zum schönsten spätbarocken Kirchenraum Südtirols umgestaltet. In diversen Führern las ich im Vorfeld über einem „Kirchenväteraltar“, der sich in der Kirche befinden soll. Neugierig, wie ich bin, fragte ich einen Pater, wo sich dieser befindee. „Nicht in der Kirche, sondern in der Gemäldegalerie im Obergeschoss des Südtraktes“, sagte er. Der „Kirchenväteraltar“ des Michael Pacher wird hier als lebensgrosse Fotoreproduktion präsentiert. Das Original kam 1809 auf Befehl des Bayernkönigs Max I. Joseph nach München. Es wurde nie zurückgegeben.
 
Das heutige Kloster Neustift (www.kloster-neustift.it) betreut 20 Pfarreien. Hier befinden sich auch das Schülerheim Neustift und das Bildungshaus Kloster Neustift. Im Bildungshaus werden viele Vorträge und Kurse angeboten. Im „Augustinisaal“ des Klosters hielt ich 2006 2 Vorträge über gesunde Ernährung, Verkaufstricks, Einkauftipps und Risiken und Gefahren, die von Lebensmitteln ausgehen. Anlass war die Publikation meines Buches (Verlag Textatelier GmbH, CH-5023 Biberstein), das ich damals vorstellte.
 
Fortsetzung folgt!
 
Literatur
Kuntzke, Reinhard; Hauch, Christiane: „Südtirol“, Dumont Reise-Taschenbuch, Ostfildern 2011.
Mertz, Peter: „Erlebniswege in Südtirol“, Bruckmann Verlag, München 2009.
Widmann, Werner, A.: „Südtirol“, ADAC-Reiseführer, München 2005.
 
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