Textatelier
BLOG vom: 10.09.2012

Statron: Qualitätsbewusstsein zur Rettung der neuen Welt

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Ohne Elektrizität läuft nichts mehr. Daran wird man zwar nur erinnert, wenn sie tatsächlich einmal ausgefallen ist, hierzulande, vor dem Atomausstieg, noch eine Seltenheit. Die Geschichte ist allerdings delikater: Selbst wenn der Strom nur einen kleinsten Sekundenbruchteil lang ausbleibt, brechen ganze Systeme zusammen. In Spitälern und im Luftverkehr wäre das lebensbedrohend. Industrieprozesse und Transportsysteme kämen zum Stillstand; die im virtuellen Bereich operierende Finanzwelt läge brach.
 
Augenschein in der Statron AG
In der Industriezone Nord im aargauischen Mägenwil (Bezirk Baden) ist die Statron AG angesiedelt. Im modernen Industriebau mit der Aufschrift NON STOP POWER, den hohen Fensterfronten und seinen begrünten, von Wildpflanzen bewachsenen Flachdächern werden die technischen Einrichtungen dafür konstruiert, dass ein solcher Stromausfall nach menschlichem Ermessen nicht passieren kann. In fast allen Ländern dieser zunehmend digitalisierten Erde stehen USV-Anlagen (USV = unterbrechungsfreie Stromversorgung) von Statron, die ihre Funktion auch unter schwierigsten Bedingungen erfüllen müssen, wozu nicht allein äussere Einflüsse, sondern auch Spannungsschwankungen gehören. Die Aufgabe ist unter anderem auch deshalb knifflig, weil im Frequenzen-Bereich je nach technischer Tradition und Land ein grosses Chaos herrscht, wobei auch Gleich- und Wechselströme zu berücksichtigen sind (in Batterien kann beispielsweise nur Gleichstrom gespeichert werden). Somit muss jede Lösung massgeschneidert sein: Fit for purpose, nennt man das in jener Sprache heute, welche den Standard für die Gleichschaltung gewährleistet. Die Statron-Techniker schätzen solche Herausforderungen, wachsen über sich hinaus, kennen nur eines nicht: Kurzschlusshandlungen.
 
Diese Erkenntnisse habe ich mir bei der Gelegenheit einer Besichtigung mit Product Manager Markus Frei am 08.09.2012 angeeignet. Das Unternehmen, das eben sein 35-Jahre-Bestehen feierte, verfügt über das Wissen und die Mittel, um Schalttafel-ähnliche Anlagen im kleinen bis zum grossen Stil zu bauen, Stromausfälle zu verhindern und unregelmässige Energieflüsse auszubalancieren. Auch die Natur ist immer auf die Herstellung von Gleichgewichten bedacht.
 
Die umweltzertifizierten Statron-Konstruktionen, die den Wirkungsgrad der eingesetzten Energie extrem verbessern, sind fast in allen Ländern rund um den globalisierenden Globus im Einsatz, um die Zahl der schon bald einmal alltäglichen Katastrophen, an die man sich gewöhnen musste, nicht auch in diesem speziellen Sektor anwachsen zu lassen. Und wenn man in einen Schaltschrank hineinschaut, erhält man einen Eindruck davon, wie unendlich kompliziert das alles ist, allein schon die Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom ist eine komplex-komplizierte Aufgabe, die offenbar nur durch ein Gewirr von Drähten, Spulen, Transformatoren, Steckern und elektronischen Bauteilen, deren Namen ich nicht zu benennen im Stande bin, bewältigt werden kann. Komponenten wie Transformatoren, Gleichrichter, Batterien oder Bestandteile von Einschubmodulen, die einen baukastenmässigen Ausbau ermöglichen, werden von zuverlässigen Lieferanten geliefert. In Mägenwil werden sie zu angepassten Einheiten wie Schalttableaus zusammengebaut, auf ihre Funktion getestet und bei den Kunden installiert und betreut (ob ich mit meinem Herumschmeissen mit Fachausdrücken lauter Volltreffer erzielt habe, möchte ich lieber nicht erfahren). Etwa 30 % des Umsatzes aus jährlich etwa 150 verwirklichten Projekten stammen aus der Schweiz.
 
An einer Präsentation wurde von den Geschäftsleitungsmitgliedern Bessam A. Moutragi und Marcel Bond ein vertiefter Einblick ins unternehmerische Innenleben gegeben. Dabei war zu erfahren, dass etwa 60 % der in Mägenwil gebauten Anlagen in der Energieübertragung, 20 % in der Energieerzeugung und 10 % in der Gewinnung von Energieträgern Erdöl und Gas zum Einsatz kommen, und der Rest betrifft Pipelines, Wasserentsalzungsanlagen, den Bergbau (Mining), Transportanlagen, die Chemische Industrie usw. Die grösste Anzahl von Statron-Anlagen wurde in Dubai installiert; der Mittlere Osten (Vereinigte Arabische Emirate und weitere Länder jener Region) ist für das Unternehmen ohnehin besonders bedeutungsvoll. Dort ist auch eine Niederlassung. Die übrigen Filialen befinden sich in der Westschweiz (Ecublens VD), in Deutschland (Ettlingen), Grossbritannien (Corby), Indien (Hyderabad), Italien (Treviso), Malaysia (Kuala Lumpur), in den Niederlanden (Lijnden), Österreich (Grafenschachen), in der Slowakei (Bratislava) und Ungarn (Budapest).
 
Zur Firmengeschichte
Die Produktionshalle befindet sich im Fabrikbau oben, die Büros aber unten, damit, wie sich Markus Frei, gut gelaunt, ausdrückte, die Belegschaft im Falle eines Anflugs von Unzufriedenheit nicht von „denen dort oben“ sprechen kann. Denn dort oben wirken die Damen und Herren Mitarbeiter. Was liefe ohne sie? Wahrscheinlich ist diese weiterausbaulich bedingte Umkrempelung der üblichen, etagemässigen Aufeinanderschichtung ein ungefragt angekommener Ausdruck der angenehmen Firmenkultur, wie sie der Gründer Hans Rudolf („Hansruedi“) Schwarz, der in unserem vergoldeten Juranest Biberstein AG sein privates Wohnhaus platzierte, mit seiner ausgesprochen fairen und ruhigen Art in die Wege geleitet hat. In der für die festliche Begehung des Doppeljubiläums „35 Jahre Statron“ und „10 Jahre in Mägenwil“ eingerichteten Produktionshalle, dort oben also, schilderte der unternehmerische und charismatische Pionier Schwarz die Geschichte seines Unternehmens. Sie hatte 1977 in Neuenhof (AG) in verschiedenen Lokalitäten begonnen und setzte sich fort, bis 2002 das neue Betriebsgebäude in Mägenwil bezogen werden konnte, wo nun endlich alles unter einem frohwüchsigen Grasdach war. Bei der Planung wurde, dem Leitbild entsprechend, auf Transparenz, Offenheit und kurze Wege geachtet. Und auf etwas Biologie. Bereits nach 5 Jahren stiess man wieder an räumliche Grenzen, hauptsächlich dank der Aufträge aus den Arabischen Emiraten. Daher musste das Mägenwiler Gebäude verlängert und aufgestockt werden. Die freundlichen und anspruchsvollen Scheichs konnten zufriedengestellt werden.
 
Aufträge und Kunden
Die Firma hat sich über die 35 Jahre erfolgreich entwickelt. Im ersten Geschäftsjahr betrug der Umsatz 1 Million CHF, heute übersteigt er 40 Millionen Franken pro Jahr. Aktuell werden 124 Personen beschäftigt; im Mutterhaus Mägenwil sind es deren 47, alle andern arbeiten in den Filialen. Zu den Kunden gehören ABB und Alstom, wie Schwarz in seiner Jubiläumsansprache ausführte. Den grössten Auftrag im 1. Geschäftsjahr hatte Sulzer für das Projekt „El Morgan“ erteilt: 5 redundante, unterbrechungsfreie Stromversorgungsanlagen, welche in härtesten Umgebungsbedingungen im Golf von Suez auf Plattformen installiert wurden. Die Redundanz, das Überreichliche, ist hier Programm, ein Aspekt der Sicherheit. Seither konnten Dutzende solcher Systeme für die Überwachung und Steuerung der Sulzer-Gasturbinen geliefert werden, die weltweit im Einsatz sind. Der Sulzer Turbinenbereich wurde inzwischen von MAN übernommen; Statron ist selbstverständlich Lieferant geblieben. Kürzlich wurde der Statron der Auftrag erteilt, die ersten Systeme von El Morgan zu ersetzen, welche seit über 30 Jahren, ohne Ausfall, versteht sich, im Einsatz sind. Weitere Kunden sind Axpo, Swisscom, Stadler Rail, ISS und viele andere.
 
Erneuerte Geschäftsleitung
Hans Rudolf Schwarz hat sich nun sozusagen selber pensioniert, sich aus der operativen Leitung zurückgezogen. Seine Nachfolger sind Peter Limacher und Pius Rogger. Der Firmengründer bleibt Verwaltungsratspräsident.
 
Zum Management gehören Sam Moutragi (CEO), Marcel Bond (Verkaufsleiter), Matthias Dreier (Technik), Markus Frei (Energiespeicher) und Rosmarie Suter (Buchhaltung).
 
Laut dem Referenten Schwarz sind „trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds in Europa und des hohen Frankenkurses die Zukunftsaussichten sehr positiv. Dank technisch hochstehenden Produkten, unserer Zuverlässigkeit und Flexibilität in der Projektabwicklung ist es uns gelungen, in vielen Märkten eine beachtliche Position zu erreichen.“
 
In Feierlaune
So etwas durfte, ja musste selbstverständlich gefeiert werden. Die krönenden Tafelfreuden stammten nach einem Linsensalat zum Apéro aus der „Krone“ in Lenzburg, und ich staune immer wieder, welche Perfektion dieses Haus auch bei grösseren Gesellschaften gewissermassen auf dem freien Feld bieten kann – auch der Service war ausgezeichnet, unterbruchfrei. Die Vorspeise bestand aus Rauchfisch-Variationen, u. a. aus Felchen aus dem Hallwilersee, der Hauptgang aus fettdurchzogenem und entsprechend schmackhaftem Kalbshohrücken mit Honig-Ingwer-Jus, Gnocchi Romaine und Gemüse, das Dessert aus Buffets mit Käse und Pâtisserie erster Güte. Die Weine waren vom Geniesser Hansruedi Schwarz höchstpersönlich ausgesucht worden, wie ich hintenherum erfuhr: Chasselas Bernune, frisch und gehaltvoll, und dem stärkenden Humagne Rouge, beides Medizinen aus dem Wallis, von Nicolas Zufferey mit Liebe zur Sache aufbereitet. Das im Firmenleitbild verankerte „hohe Qualitätsbewusstsein“ schlug sich auch vom gastronomischen Sektor herrlich nieder.
 
Die Riverstreet Jazzband brachte sich in Position, versetzte die gut 100 Gäste mit ihrem lustvoll dargebotenen Revival-Jazz nach New Orleans, obschon es dort keine Statron-Filiale gibt. Noch nicht. Den Trompeten-Part nahm Peter Lüscher, der Bruder von Hansruedi Schwarz’ Ehefrau Urusla wahr; er gab alles. An der Zugposaune arbeitete Kniri Knaus hart und mit vollem Körpereinsatz; dass Messing solche Strapazen aushält, ist beachtenswert. Der originelle Zetzwiler war einst Mitglied der bekannten und berühmten Blues- und Folk-Band Pfuri, Gorps und Kniri, die auch mit Alltagsgegenständen zu musizieren verstand. Den Bass, von Gebrauchsspuren gezeichnet, traktierte Hansjörg Schaltenbrand mit der Hingabe des professionellen Könners. Das Banjo war in den Händen von René Karlen bestens betreut. Die Klarinette schwang Roy Duncombe, und die volle Wucht des Saxophons wurde durch Rougi Rothenbühler eingebracht. Am Schlagzeug arbeitete Martin Meyer, den rhythmischen Boden beackernd. Das war ein mitreissender, farbiger Sound, klassisch, aber jugendfrisch aus der Wiege des Jazz in den Südstaaten dargeboten. Die Band besteht seit 1960. Nach 1972 habe man nie mehr geprobt, sagte mir René Karlen. Wozu auch? Die Männer haben die Musik im Blut. Die improvisatorische Perfektion ist erreicht. Wenn sie spielen, spielen sie mit Leidenschaft.
 
Elizabeth Neuenschwander und Belutschistan
Und ein weiterer, mir bekannter, lieber Gast war da: Elizabeth Neuenschwander aus Bern, die 2 Tage vorher ihrem 83. Geburtstag hatte feiern dürfen, wahrscheinlich in aller Bescheidenheit. Sie setzt sich mit ihrem kleinen, privaten Hilfswerk für bedürftige Menschen ein. Seit 1986 engagiert sie sich für afghanische Flüchtlinge in Belutschistan, anfänglich im Auftrag der UNO, und seit ihrer Pension vor 20 Jahren mit ihrem eigenen Hilfswerk.
 
Hansruedi Schwarz unterstützt ihre Arbeit, wo immer er nur kann. Und er sagte: „Nebst Aufbau und Leitung einer Schule bietet Frau Neuenschwander Frauen und invaliden Männern Nähkurse an, welche für diese eine Existenzgrundlage bedeuten. Entsprechend ihrer Überzeugung ,Hilfe zur Selbsthilfe’ hat sie bis heute den Erwerb von 7200 Nähmaschinen ermöglicht (und in deren Bedienung unterrichtet).
 
Mit einem Budget unter 4000 CHF pro Monat ermöglicht sie 1450 Mädchen und Knaben den Schulbesuch, und für das Frauen-Ausbildungscenter werden monatlich lediglich 1100 CHF benötigt. Für Organisation und Administration des Hilfswerks fallen keine Kosten an. Elizabeth arbeitet ohne Salär und wird von freiwilligen Helfern unterstützt. Ihre Reisen in die Einsatzgebiete bezahlt sie mit der Pension und der AHV.“
 
Es war berührend, wie Elizabeth Neuenschwander vor dem Hintergrund mit Gestellen, auf denen Sammelschienen, Connectoren (Steckverbinder), Messingbolzen und Flachbandkabel lagerten, ihre Produkte aus einer anderen Sphäre ausgebreitet hatte: Schriften, Karten und schöne Handarbeiten mit dekorativen Stickereien. Sie machte damit vollkommen unaufdringlich auf einen beunruhigten Teilbereich dieser Welt im Grenzbereich von Pakistan, Afghanistan und Iran aufmerksam. Dort werden die einfachen Nähmaschinen noch mit menschlicher Kraft angetrieben, und in jenem Gebiet würden Schutzanlagen eher gegen fremde, aggressive Eindringlinge als für hochtechnisierte Anlagen benötigt.
 
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