Textatelier
BLOG vom: 03.05.2013

Protokoll Instabilität: Das gute Böse wird zum bösen Guten

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
„Noch vor 2 Generationen gab es kaum eine grössere Schande, als Mutter oder Vater eines unehelichen Kindes zu sein, in einer Schwulenbar gesehen zu werden oder einen Deserteur (Dienstverweigerer) in der Familie zu haben“, schrieb der originelle deutsche Kolumnist Henryk M. Broder in der „Weltwoche“ 2013-17. Heute sei alles anders: angesichts der katastrophalen Finanzpolitik (Geldverschleuderung) vieler Länder mit ihren gähnend leeren Kassen und den „Billionenschulden“ ist die Steuerhinterziehung aus den ehemals allgemein akzeptierten Steueroptimierungsmodellen zu einem Kapitalverbrechen ausgewachsen. Broder, ein unermüdlicher Wanderer zwischen verschiedenen Denkwelten und Freund der Eidgenossen („Ich mag die Schweiz. Kein zweites Land in Europa ist so zivilisiert und so kosmopolitisch.“), sieht klar.
 
Frühere grösste Schanden
Im Zuge solcher Vorgänge wird der Reichtum kriminalisiert, wie den Gedankengängen von Broder beizufügen ist. Bankkonti sind per se verdächtig und rufen Plünderer auf den Plan. Der Zeitgeist verändert sich und mit ihm der mediale Skandalisierungsbedarf, dessen Gegenpart das Totschweigen ist – beides sind grobe Verzerrungen.
 
Noch vor den eingangs angesprochenen 2 Generationen stand die Sorge um den Fortbestand der Erde als bewohnbarer Raum für alle Arten von Lebewesen im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Umweltschutz nannte man das. Man sorgte sich um den Zustand der Gewässer - an der Nordsee starben die meisten Seehunde –, um die Bodenfruchtbarkeit, um die Atemluft, um die Zerstörung der Landschaften durch ein wildwüchsiges Überbauen; man beachtete das diffuse Krankheitsgeschehen im Gefolge des Elektrosmogs. In der Politik kamen die „Grünen“ auf, die vor allem ehrliche Umweltanliegen in politisches Kapital nach sozialistischer Manier ummünzten. Die dampfenden Atomkraftwerke waren das beliebte Protestthema mit Symbolcharakter, dienten als Aushängeschilder für die bewegenden Umweltbewegten, in deren Windschatten handfeste Schäden wie die chemische Verseuchung des Lebensraums und der Menschen erstaunlich schwach beachtet wurden.
 
Inzwischen scheint der Umweltschutz (eine Zeitlang Mitweltschutz genannt) seine Pflicht und Schuldigkeit getan zu haben. Er gärt nach den Wirtschafts- und Finanzkrisen sowie den serienmässig angeheizten Rebellionen und Kriegen höchstens noch auf dem Komposthaufen der überwundenen, neueren Geschichte vor sich hin, gibt manchmal einen fauligen Geruch von sich, bringt nur ausnahmsweise ein nostalgisches Blümchen hervor. Nicht einmal die gigantische Erdölkatastrophe im Golf von Mexiko (US-Gebiet) im April 2010 mit dem Ölteppich über 9900 km2, eine der schlimmsten Ölpesten überhaupt, vermochte die Welt zu erschüttern. Die überstürzt eingeläutete Energiewendezeit durch politische Wendehälse („Weg von der Atomkraft!“) hat Persilscheine für alle Arten der Energieerzeugung geschaffen, was immer auch deren Schäden sein mögen – wenn es bloss keine Atomkraft ist. Der thematisch breit abgestützte Natur- bzw. Umweltschutz wurde und wird sogleich abgeschafft, wenn irgendwo ein paar Kilowattstündchen Elektrizität herauszuquetschen sind. Energiewende = Wahrnehmungswende. Paradigmenwechsel, weit entfernt von gesamtheitlichen Betrachtungen.
 
Globalisierungskriege
Dazu stellte sich die indirekte Förderung des Terrorismus durch die sogenannte „Weltgemeinschaft“ mit ihren verschrobenen Werten ein; dass der Länderzusammenschluss zu Schicksalsgemeinschaften in die Katastrophe führt, lehrt gerade die Europäische Union (EU), eine Fehlkonstruktion kapitalen Ausmasses. Die Gleichmacherei in einem Zentralstaat mit der verheerenden Klüngelbildung geschah im Rahmen der Globalisierung. Die Normierung von Waren, Sprachen und Köpfen ist nicht im Sinne der versklavten Bewohner. Die EU wurde durch die USA gefördert, um ein vermeintlich starkes Europa-Bollwerk gegen Russland einsetzen zu können. Herausgekommen ist eine simplifizierte Aufteilung der Welt in Gut (US-Vasallen) und Böse (Länder und Organisationen, die sich nicht dem US-Herrschaftsanspruch beugen).
 
Über die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) haben die USA den alten Kontinent im Griff: Die Schweiz ist idiotischerweise Mitglied dieser arroganten Gesellschaft und muss sich von Generalsekretär Angel Gurría laufend Vorschriften machen, sich herunterkapiteln lassen und vor grauen und schwarzen Listen fürchten. Vor allem in den vergangenen rund 10 Jahren standen wir im Schussfeld der OECD, der wir seit 1961 (als Gründungsmitglied) angehören. Wie lange lassen wir und das noch bieten? Nach dem Willen der neuen Machthabern, verlängerte US-Arme, werden nicht nur die an Souveränität verarmenden Staaten, sondern auch alle menschlichen Individuen mit ihren digitalen Lebensäusserungen zunehmend überwacht und kriminalisiert.
 
Der Prozess der Abschaffung der Privatsphären läuft gerade auf Hochtouren. Er gehört zu den aus der Diskussion verdrängten, schleichenden Degenerationen. Bei der Abschaffung des Privaten geht es nicht um die Offenlegung von allfälligen Ungesetzlichkeiten, wie viele brave, unbescholtene Bürger meinen, sondern um die Erleichterung von direkten, erleichterten Zugriffen, wenn der Staat neue Mittel braucht, die auf legalem Wege nicht zu beschaffen sind. Nur den Sozialisten mit ihrem unerschütterlichen Traum nach totalitären Systemen gefällt das noch. Der nach ständigen Fusionen verfilzte mediale Mainstream ist, für mich schwer erklärlich, nach links abgedriftet und lässt solchen Erscheinungen die stillschweigende Unterstützung zukommen – beziehungsweise eine Unterstützung durch das Stillschweigen, oder eine sanfte Förderung.
 
Eine neue Aufklärung ist dringend
Die dazu passenden Unwörter: Veränderung, Flexibilität. Stabile Fassaden müssen eingerissen werden, komme, was kommen mag. Das bringt Bewegung in den Laden. Eine gewisse Vielfalt im Beunruhigungspotenzial ist unabdingbar, will man die Aufmerksamkeit der Desinformierten nicht verlieren. Sie werden häppchenjournalistisch in die Unmündigkeit getrieben und wagen es nicht mehr, sich im abstrusen, undurchschaubaren Chaos ihres eigenen Verstands zu bedienen. Man lässt für sich denken, lässt sich therapieren, unterwürfig durchs Leben führen – Eigenverantwortung und Selbstheilung sind Fremdwörter, kaum noch in Gebrauch.
 
Dadurch ist der Nährboden für kollektive Gängelungen wie über das Schüren von Pandemieängsten, die dem Pharmaumsatz dienen, aufbereitet. Wer sich nicht gegen alle möglichen Grippeviren impfen lässt, ist eine (Ansteckungs-)Gefahr für die Volksgesundheit und müsste an sich aus dem Verkehr gezogen werden. Vorbeugend werden Katastrophenszenarien heraufbeschworen, Einsatzpläne ausgearbeitet und opulent kommuniziert, bis allein der Informationsschwall suggeriert, man habe es tatsächlich mit einer weltumspannenden Katastrophe zu tun.
 
Im Moment werden gerade die Masern weltweit zur Pandemie hochstilisiert. Früher versuchten Behörden, das Aufkommen von Panik zu verhindern, heute werden Krisen retortenmässig erzeugt, um von eigenen Fehlleistungen abzulenken. Krisen sind belebend und allgemein beliebt. Idyllen wie auf den Bildern von Carl Spitzweg, etwa den „kleinen Landschaften“, die er auf die Zedernholzbrettchen seiner Zigarrenkistchen malte, reizen zum Gähnen. Auch wenn die Menschen bei Spitzweg oft karikiert sind, leben sie auf seinen Bildern doch friedlich zusammen. So etwas gilt heute als unerträglich.
 
Das Aussergewöhnliche und das Verzerrte
Immer wieder hört man den Blödsinn, Medien würden sich nur dem Negativen zuwenden. Nein, sie befassen sich mit dem Aussergewöhnlichen, also damit, was sich ausserhalb der Norm bewegt – ein Dachdecker ist medial nur interessant, wenn er vom Dach gefallen ist. Aber die Medien verzerren – sie berichten einerseits nur darüber, was ihnen in den Kram passt, betreiben anderseits Kampagnenjournalismus, möchten zum Beispiel durch ständige Wiederholungen eine bestimmte Stimmung heraufbeschwören, die sich politisch ausnützen lässt. Medien indoktrinieren, verschweigen, manipulieren, zerstören bewährte Ordnungen, spornen zu Revolutionen mit ungeahnten Nebenwirkungen an, die ihrerseits wieder unhaltbare Zustände erzeugen. Hier hätte die Kritik anzusetzen.
 
Modernitätsverdrossenheit
Ich bin ein älterer Mann (76), nach heutiger Terminologie eine überalterte Person. Im Allgemeinen kerngesund, so leide ich doch an einer akuten Modernitätsverdrossenheit. Denn es gibt zu viele Anzeichen dafür, dass sich die Menschheit in totalitäre Systeme zurückentwickelt – von zarten Händen (oft schauspielernden, listigen Politikerinnen) verführt. Das hohle Demokratiegerede ist in diesen Wendezeiten lauter denn je, der Demokratieabbau aber schreitet überall dort voran, wo es noch etwas abzubauen gibt, bis das Endstadium Scheindemokratie erreicht ist.
 
Modekrankheiten
Der Zentralismus verschlingt allmählich die mühsam errungenen Werte, bringt dafür neue Krankheiten hervor, die frühere Ärzte nicht kannten: Allergien (im Moment ist gerade Pollen-Saison bei erhöhter Gefahrenstufe; Blütenstaub gab es, seitdem sich Pflanzen mit dessen um Nachkommen kümmern), Demenz (heute allgemein verbreitet, nur in relativ wenigen Fällen diagnostiziert) und das Burnout-Syndrom, ein Vermächtnis des britischen Schriftstellers Graham Greene im 1960 erschienenen Aussteiger-Roman „A Burnt-Out Case“ (ein ausgebrannter Architekt entschloss sich, im afrikanischen Dschungel zu leben). Und dazu kommen angeblich entgleiste Blutfettwerte, Blutdrucke und all die anderen Parameter, die man messen kann und die normiert wurden, damit man sie ins Normierte (Normale) zurückzwingen kann.Ob damit nur iatrogene (durch ärztliche Behandlung verursachte) Schäden oder Todesfolgen verbunden sind, spielt keine grosse Rolle. Individuelle Veranlagungen werden ignoriert.
 
Oft genug übermannt mich das Gefühl, nicht mehr in diese Zeit mit ihren verrückten (auf absonderliche Weise ungewöhnlichen) Normen zu passen. Ich gebe ja zu, dass sich die Zeiten ändern und der Verkehr mit Ochsenkarren oder mit 48-Tonnen-Lastwagen anderer verkehrstechnischer Massnahmen bedarf, dass die Zeiten der Botschaften-Übermittlung durch Höhenfeuer (Hochwachten) und des Internets unterschiedliche Informationsbedürfnisse gebären und ermöglichen. Doch gäbe es schon einige Grundsätze von sozusagen ewigem Bestand: Ethik gegenüber allem Leben, gegenüber allen Naturäusserungen, Ehrlichkeit, Korrektheit, Friedfertigkeit und Toleranz gegenüber dem Eigenwilligen, Besonderen.
 
Das Darumherum mag sich ändern; doch wenn die Fundamente stabil sind, sind Veränderungen, Anpassungen und Aufbrüche zu neuen Ufern nicht nur verkraftbar, sondern auch ein Teil der Evolution, die wir ein bisschen beeinflussen können. Wir müssen einfach darauf bedacht sein, so zu handeln, dass wir ein gutes Gewissen haben, nicht wie ein Volltrottel mit Windfahne jeden Modegag mitzumachen, und wir sollten unerträglichen politischen Erscheinungen mit Widerstand entgegentreten. Es geht um Wesentliches, das nicht durch Ablenkungsmanöver vernebelt werden darf.
 
 
Literatur zum Thema
Hess, Walter:Kontrapunkte zur Einheitswelt. Wie man sich vor der Globalisierung retten kann“, Verlag Textatelier.com, CH-5023 Biberstein 2005. ISBN 3-9523015-0-7.
 
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