Textatelier
BLOG vom: 08.06.2013

Recherchen 6: Warum essen wir Salate, aber kein Gras?

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Bei uns gab es heute Mittag Rucola-Salat. Wir haben uns wieder einmal gefragt, warum wir Salat, nicht aber Gras verdauen können. Im Internet habe ich gelernt, dass das möglich und unter Umständen sogar gesundheitsfördernd ist, wenn wir Gerstengrassaft täglich trinken.“ Das schrieb mir Richard Gerd Bernardy in einer E-Mail vom 30.05.2013. Er wollte von mir wissen, welche Erfahrungen ich gemacht habe.
 
„Gras fressen? Ich bin doch keine Kuh und kein Wiederkäuer“, waren meine Gedanken, als ich mit dem Grasvertilgen konfrontiert wurde. Das Grasessen haut doch nicht hin, zumal wir Menschen nur mit einem Magen ausgestattet sind. Die Kuh ihrerseits hat 4 Mägen, nämlich den Pansen, den Netzmagen, den Blättermagen und den Labmagen. Und die Kuh ist mit dem Wiederkäuen beschäftigt. Je nach Futteraufnahme haben die Kühe 4 bis 24 Wiederkauperioden pro Tag. Zum Glück haben wir nicht die Mägen einer Kuh, denn sonst wären wir den ganzen Tag mit dem Wiederkäuen beschäftigt. Es genügt schon, wenn uns einige Besserwisser einbläuen, man solle doch jeden Bissen bis 30 Mal kauen. Da hätten sogar die Slow-Food-Esser ihre Schwierigkeiten. Wichtig ist, dass man normal kaut und genussvoll in Ruhe seine Mahlzeiten verzehrt.
 
Wir assen als Kinder früher auch kein Gras, sondern kauten an diesem oder jenen Grashalm herum (mancher Saft schmeckte süsslich) und bevorzugten Sauerampferblätter. Wir waren nämlich des Öfteren auf Feldern, Wiesen und in Wäldern ohne Getränk unterwegs. Die sauer schmeckenden Sauerampferblätter stillten für kurze Zeit unseren Durst. Wie ich später erfuhr, enthält die Sauerampfer nicht nur Oxalsäure, sondern auch Mineralstoffe und eine gehörige Portion Vitamin C  (115 mg/100 g). Heute ist die Wildpflanze ein beliebtes Würzkraut. Rezepte sind im Internet zu finden.
 
So wiederkäut die Kuh
Was passiert mit der Pflanzennahrung in der Kuh? Nun, die Kuh grast herum (sie umfasst das Grasbüschel mit der rauen Zunge, reisst es mit den Schneidezähnen ab) und schluckt die Pflanzennahrung kaum zerkaut. Diese gelangt über die Speiseröhre in den Pansen, der bis zu 60 kg Futter aufnehmen kann. Im Pansen fühlen sich Bakterien und Einzeller wohl. Sie sind mit der Zersetzung der Nahrung beschäftigt. Bei der Fermentation bilden sich Gase (Kohlendioxid, Methan), die durch die Rülpser der Rinder ausgestossen werden.
 
Die Nahrung wird nun zwischen Pansen und Netzmagen hin und her bewegt. Dann legt sich die Kuh meistens hin und beginnt mit dem Wiederkäuen der wenig zerkleinerten Pflanzenteile. Dies geschieht so: Aus dem Netzmagen werden kleine Portionen des Nahrungsbreis über die Speiseröhre in das Maul befördert. Der Nahrungsbrei wird mit Speichel vermischt und zerkaut. Danach wird der Brei geschluckt, kommt in den Blättermagen (hier wird Wasser entzogen, der Nahrungsbrei wird eingedickt), dann in den Labmagen. Hier erfolgt die eigentliche Verdauung durch Enzyme. Der verdaute Nahrungsbrei gelangt sodann in den Darm, wo Nährstoffe aufgenommen werden. Der unverdauliche Teil wird ausgeschieden. Der ganze Verdauungsprozess dauert 2 Tage.
 
Die Kuh muss ganz schön arbeiten, um satt zu werden. Sie hat ja eine Menge Zeit.
 
Es gibt noch andere Wiederkäuer wie Schaf, Ziege, Reh und Hirsch, die sich am Gras laben.
 
In dem Bericht „Dem Steak auf der Spur“ (Rindfleischerzeugung in Österreich) wird die Nahrungsaufnahme der Kuh ausführlich dargestellt (siehe unter Internetinfos am Schluss).
 
Nun wieder zum Menschen: Grössere Mengen Gras sind für den Menschen schwer verdaulich, manche Empfindlichen bekommen Bauchschmerzen und Durchfall.
 
Gras-Smoothies, Gerstengrassaft
Es gibt jedoch Rohköstler, die auf Gras-Smoothies abfahren. Smoothies ist eine US-amerikanische Bezeichnung für Ganzfruchtgetränke. Wichtig ist, dass man das Gras klein schneidet und gut einspeichelt. Der Rohkost-Fan Dirk Riske (www.derwegzurrohkost.de), der schon seit 25 Jahren Gras verzehrt, berichtet auf seinen Internetseiten Erstaunliches. Das Gras verzehrt er entweder roh, zerkleinert es, in dem er es mit Salat mischt oder stellt sich einen Gras-Smoothie durch Mixen her. Auf seiner Homepage sind Infos unter „Die Urkraft der Gräser“ zu bekommen.
 
Zurzeit sind Weizengras- und Gerstengrassäfte aktuell. Leistungssportler schwören auf diese Säfte, weil ihnen diese einen Energieschub liefern. Vor einigen Tagen las ich folgende Annonce über ein biogenes Gerstengras in Kapselform: „Für natürliche, körperliche und geistige Höchstleistung.“
 
Oft werden solche Produkte mit schier unglaublichen Wirkungen angepriesen. Ich bin da skeptisch. Man müsste dieses Nahrungsergänzungsmittel einmal selbst ausprobieren, und erst dann wäre ein Urteil möglich.
 
Auf jeden Fall werde ich auch in Zukunft kein Gras essen, sondern lieber Salate aller Art. In einem weiteren Blog werde ich die Vorzüge des Salatessens näher beleuchten.
 
Internet
www.focus.de (Focus-Schule Nr. 3, 2011)
 
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