Textatelier
BLOG vom: 15.06.2013

Geschichtliche Fragmente: Wie die CH unter die Räuber fiel

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Eine der grössten Frechheiten made in USA ist die Bestrafung von Ländern, die mit Staaten Handel treiben, welche auf einer (nach reinen US-Interessen zusammengestellten) Schwarzen Liste stehen, eine unerträgliche, durch nichts zu rechtfertigende Einmischung. Ein Beispiel: Die CS (Credit Suisse) wurde Ende 2009 mit etwa einer halben Milliarde CHF zur leeren US-Kasse gebeten, die höchste je eingeforderte Strafe wegen der „Verletzung von Sanktionsbestimmungen“. Es ging um aus US-Sicht illegale Transaktionen von 1.6 Milliarden USD, worunter auch der Iran, Sudan, Burma (Myanmar), Kuba und Libyen fielen. Inzwischen ist Burma zum Liebkind der USA geworden, weil man dort an Geschäften teilhaben will. Wenn es dem Grossen Bruder nützt, werden aus Feinden Freunde – und umgekehrt.
 
Die aus der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) hervorgegangene CS hatte schon viel früher mit der exzessiven Strafmentalität der USA Bekanntschaft gemacht. Bei einem frühen Angriff auf das schweizerische Bankgeheimnis erwirkte 1975 die Securities and Exchange Commission (SEC) von einem Bundesgericht in Washington die Verfügung, wonach die SKA aus der Schweiz Aktiven im Wert von mehreren hundert Millionen CHF in die USA überweisen müsse. Die Schweizer Bank war an Transaktionen um Goldsparkonti beteiligt, die zwar in der Schweiz, jedoch für US-Kunden geführt wurden und der US-Rechtsprechung als gesetzeswidrig erschienen.
 
Lernfähige Räuber
Die USA erkannten immer deutlicher, wie leicht man Geld erpressen kann. Der Würgegriff der US-Räuber mit dem heutigen Räuberhauptmann Aliobama wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung wurde zunehmend enger. Der Milliarden-Raubzug läuft im Moment; die USA formulieren die Bedingungen, sitzen auf dem hohen Ross. Und das Schweizer Parlament müht sich mit der „Lex USA“ ab, welche den USA einen Freipass für Plünderungen von Schweizer Banken gewährleisten würde.
 
Für mich ist schwer nachvollziehbar, dass das Schweizer Grossbankenwesen aus solchen frühen, starken Indizien keine Lehren zog und bereit war, blindlings in die offenen Messer jenseits des grossen Teichs zu laufen. Die Banken schienen darüber hinwegzusehen, dass plötzlich als Kriminalität galt, was früher gang und gäbe war. Sie waren vom vermeintlichen Zwang und Drang zu Wachstum und Grösse verblendet, wozu der Umstand beitrug, dass die aufkeimende Computerisierung das Ausarbeiten von Rankings zum Kinderspiel machte. Neue Instrumente wie Optionen, Futures (Terminkontrakte) und Swaps (Austausch von zukünftigen Zahlungsströmen) tauchten auf, welche das Finanzmarktgeschehen immer undurchschaubarer machte. Die Spielregeln werden von den USA diktiert, die sich aber selber nicht daran halten und Globallösungen (gleiches Recht und gleiche Pflichten für alle Länder) abschmettern.
 
Der Strukturwandel im CH-Bankwesen
Soeben ist mir das Buch von Joseph Jung mit dem Titel „Rainer E. Gut. Die kritische Grösse“, 2007 im Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, erschienen, in die Hände gekommen. Ihm sind einige der hier versammelten Fakten entnommen. Das rund 400 Seiten starke Werk ist eine Ode an den ehemaligen SKA- bzw. CS-Verwaltungsratspräsidenten Rainer E. Gut (1983 bis 2000 als solcher im Amt) der Credit Suisse Group (vormals CS Holding). In den 1990er-Jahren begann im schweizerischen Bankengewerbe ein gewaltiger Strukturwandel. Zählte die Schweiz, die „overbanked“ war, 1990 noch 625 selbständige Finanzinstitute, waren es 2000 nur noch 375, und die Zahl der Bankniederlassungen reduzierte sich im bezeichneten Jahrzehnt von 4387 auf 2903.
 
Die Schweizer Bankenbranche, die im Inland kaum noch Expansionsmöglichkeiten hatte, richtete sich weitestgehend auf die USA aus, in der sie das Epizentrum des globalen Finanzgeschehens ortete – was ihr inzwischen zum ruinösen Alptraum wurde. Laut dem erwähnten Buch eröffnete die SKA (aus der die CS hervorging) ab der Mitte der 1970er-Jahre Filialen für das Commercial Banking an beiden Küsten und in Wirtschaftszentren wie Chicago und Houston. Bis Mitte der 1980er-Jahre entstand in den USA ein flächendeckendes Netz von Filialen und Vertretungen für das Commercial Banking (Einlagen- und Kreditgeschäft), welches zusammen mit der Financière Crédit Suisse - First Boston (FCSFB) das Investment Banking betrieb und auch das gesamte Wholesale-Banking-Spektrum (Grosshandel) abdeckte. Die Partnerschaft mit der First Boston machte die CS zu einer der bedeutendsten Auslandbanken in den USA, die natürlich den eifersüchtigen US-Amerikanern ein Dorn im Auge war und auf die Abschussliste kam, was noch niemand richtig wahrnahm. Die Verankerung der Schweizerbank in den USA galt sogar als Pionierleistung. Wer vorerst nicht mitmachte, wie die SBG (Schweizerische Bankgesellschaft, später UBS), steckte den Vorwurf ein, etwas verpasst zu haben, den Schlaf des Gerechten zu schlafen. Die Einsitznahme der CS in den USA erfolgte im Bewusstsein, dass die Bank mit dem US-Recht kongruent war und nicht verfolgt würde – eine Fehlspekulation, welche bald in sich zusammenbrach. Wer mit den Amerikanern geschäftet, muss immer mit Millionenklagen rechnen – je maroder die Staatsfinanzen, desto grösser wird die Wahrscheinlichkeit.
 
Rainer E. Gut hatte aus der SKA, die seinerzeit ausserhalb der Schweiz nur eine Statistenrolle spielte, ein international blühendes Unternehmen gemacht und feierte die entsprechenden Erfolge. Doch ab 2000 geriet die CS Group unter Lukas Mühlemann in eine zunehmende Schieflage. Das Umfeld hatte sich geändert (einbrechende Finanzmärkte wegen US-Verschuldens sowie das Platzen der Hightech-Blase), und falsche strategische Entscheide und Managementfehler waren die Ursache, zu denen dann die ständigen bedrohlichen Zudringlichkeiten der US-Justiz kamen. Für die enormen Schäden der US-Pleiten nach dem Lehman-Brüder-Muster und der Immobilien-Blase (Baracken wurden bewertungsmässig vergoldet) zahlten weltweit die Anleger. Die von den Brothers zur Rückzahlung anstehenden 100 Mia. USD deckten zwar einen Teil des direkten Elends, nicht aber die übrigen weltweit registrierten Folge-Verluste ab. Noch immer haben es die Amerikaner verstanden, ihre Pleiten durch die Restwelt bezahlen zu lassen (auch via Dollar-Zerfall).
 
Hütet Euch vor den USA!
Die Lernfähigkeit war anfänglich nicht vorhanden, und Lehren stellten sich bei all der US-Verblendung, eine globale Geisteskrankheit, mit der Zeit nur schleppend ein. Inzwischen ist es immerhin so weit, dass die Schweizer Banken, wenn immer möglich, nichts mehr mit US-Kunden zu tun haben möchten, zumal die Amerikaner ununterbrochen nach Sünden und Sündern suchen, aus denen sich Millionen und Milliarden herauspressen lassen, falls die „Vergehen“ nicht innerhalb der USA stattgefunden haben oder stattfinden, wo sie selbstverständlich erlaubt sind. Alle „Roten Linien“, die niemand folgenlos überschreiten darf, liegen ausserhalb der USA.
 
In früheren Jahrzehnten waren Steueroptimierungen an der Tagesordnung: von der Gesetzgebung geschaffene Möglichkeiten, die Steuerlasten zu begrenzen, wobei auch Gedanken an die Wettbewerbsfähigkeit von einheimischen Unternehmen mitspielten. Das hatte nichts mit Steuerhinterziehung oder -betrug zu tun, die es auch gibt, für die aber die einzelnen Betrüger geradezustehen haben, würde man meinen. Wenn ich in einem Bäckerladen mein Holzofenbrot kaufe, geht es die nette Verkäuferin nichts an, woher mein dafür aufgewendetes Geld kommt – oder muss ich demnächst meinen Steuerausweis vorweisen, wenn ich meine Crèmeschnitte bezahlen möchte? Worauf eine Kopie des Kassabons nach Washington überwiesen wird.
 
Die Zeiten wandeln sich, und wir haben Mühe, ihnen zu folgen. Trauerspiele und ein böses Erwachen kennzeichnen diese globalisierte Welt unter dem verfluchten egoistischen US-Diktat, das nur eines nicht kennt: gleiche Bedingungen und Regeln für alle Länder – unter ausdrücklicher Ausklammerung der US-Weltherren mit ihren Mehrzweckwaffen wie die Weltbank und die Bank Goldman Sachs als Supermacht der Finanzmanipulationen, die unter dem Motto arbeitet: „Es reicht nicht, dass wir Erfolg haben. Andere müssen scheitern.“
 
Widerstand leisten
Die US-Justiz hat sich diesem Leitsatz angeschlossen. Nur mit dem Erfolg ist es nicht mehr so weit her, bloss das Zerstörungspotenzial ist intakt geblieben. Eine bewundernswerte Leistung der Schweiz wäre es, wenn sie endlich das US-Diktat zusammen mit der undurchschaubaren „Lex USA“ zurück an den Absender schicken würde, auch wenn die desorientierten Banken das nicht einsehen und jetzt sogar „proaktiv" (vorauseilend) auf den Automatischen Informationsaustausch (AIA) drängen, was selbst dem Bundesrat zu weit geht. Dieser hat laut NZZ vom 15.06.2013 Eveline Widmer-Schlumpf, die jedem Druck aus dem Ausland freudig nachgiebt, endlich einmal zurückgebunden. Die Banken ihrerseits haben aus der Vergangenheit schon wieder nichts gelernt. Sie sind die grösste Bedrohung für ihre eigenen Interessen. Ein jämmerliches Bild.
 
Die bald einzige, letzte Hoffnung bezieht sich jetzt auf dem Nationalrat, nachdem der an Dyskalkulie leidende Ständerat (er hat Schwierigkeiten schon beim Auszählen) bereits eingeknickt ist.
 
 
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