Textatelier
BLOG vom: 27.10.2013

Wellen und Schwingungen – Gedanken am Meeresstrand

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Ende Oktober 2013, an einem sonnigen, goldenen Herbsttag, sitze ich auf dem Strand an der Lübecker Bucht und lausche den Wellen, die gleichförmig bei wenig Wind ans Ufer rollen. Es rauscht, gluckert, klatscht und plätschert. Ich erinnere mich an den Sommertag, an dem ich in der Ostsee schwamm. Ich bewegte mich nach auswärts, die Wellen schwappten über mich hinweg, hemmten meinen Weg, und ich musste ein wenig aufpassen, dass das Wasser nicht in meinen Mund lief. Dann kam ich auf die Idee, mich nicht direkt vom Ufer weg zu bewegen, sondern parallel dazu zu schwimmen. Ich legte mich auf den Rücken und schwamm los. Und siehe da: Die Wellen bewegten sich unter mir weg und schwappten mir nicht mehr ins Gesicht. Ja, ich fühlte sie kaum noch, stellte aber fest, dass ich mich, ohne dass ich das wollte, nicht nur parallel zum Ufer bewegte, sondern auch in diese Richtung hin gerückt wurde. Nach einiger Zeit musste ich mich wieder ins tiefere Wasser begeben.
 
Diese Wellen sind nur flach, nicht zu vergleichen mit den 4‒6 m hohen Wellenkämmen beispielsweise an der Pazifikküste, die mit voller Wucht ans Ufer rollen.
 
Wellen sind nicht nur im Meer, Wellen sind überall. Ohne Schwingung keine Wellen. Der Unterschied zwischen Schwingungen und Wellen besteht darin, dass sich Wellen ausbreiten, also Wege zurücklegen, während Schwingungen lokal stattfinden. Jede Welle setzt sich aus Schwingungen zusammen. So kennen wir andere mechanische Schwingungen wie Erdbebenwellen; Wellen, die entstehen, wenn der Wind über ein Getreidefeld weht; Druckwellen, die Gläser zerspringen lassen und ganze Häuser zum Einsturz bringen, oder Schallwellen und andere. Sie sind immer an ein Medium gebunden. Dann gibt es auch Wellen, die sich im Vakuum ausbreiten können, etwa elektromagnetische Wellen, Gravitationswellen und Materiewellen.
 
Erinnern Sie sich an die ersten Schwingungen, die Sie als Kind selbst erzeugt haben? Nicht nur Seilchenspringen ist beliebt, auch wenn das Seil an einen Baum gebunden und zum Schwingen gebracht wird, macht das Spass.
 
Jeder Körper usw. kann nicht nur als Ganzes hin und her bewegt werden und damit Schwingungen hervorrufen, sondern er kann auch in sich selbst schwingen. Auch die Luft in Räumen besitzt die Fähigkeit, in Schwingungen zu geraten. Haben Sie einmal genau hingehört, wie sich das anhört, wenn Sie in der Dusche singen? Manchmal klingt ein ganz bestimmter Ton ganz intensiv und voll. Der Raum tönte in seiner Eigenfrequenz, man nennt das Resonanz (resonare, lat.: zurücktönen). Dieses Mitschwingen kann katastrophale Auswirkungen haben, und beispielsweise bei gleichmässigen Marschschritten auf einer Brücke diese zum Einsturz bringen.
 
Jeder von uns hat schon einmal einen Stein ins Wasser geworfen. Um die Eintauchstelle des Steines herum bilden sich konzentrische Kreise, die sich rasch nach allen Seiten hin ausbreiten. Der Stein hat im Wasser eine Vertiefung hervorgerufen, beim Zurückschnellen trat ein Wasserberg auf, zu beiden Seiten des Berges entstanden 2 Täler und 2 Berge. Sie bewegten sich in einer bestimmten Geschwindigkeit nach aussen. Setzt man ein Papierschiffchen neben die Eintauchstelle, kann man feststellen, dass es sich nicht fortbewegt, sondern nur im Takt der Wellenbewegungen auf und abhüpft. Die Energie, die Sie aufgebracht haben, um den Stein ins Wasser zu werfen, hat sich als Welle fortgepflanzt.
 
Als ich parallel zum Ufer im Meer schwamm, bewegte sich nicht das Wasser unter mir, sondern ich spürte die Energie, die der Wind auf das Wasser übertragen hatte.
 
Schallwellen sind ebenso Schwingungen, die entstehen, wenn feste Körper oder flüssige bzw. gasförmige Stoffe rhythmisch in Form von Luftverdünnungen und Luftverdichtungen geraten. Die so erzeugten Längsschwingungen teilen sich dem Trommelfell des Ohrs mit und regen es zum Mitschwingen an. A Sea Symphony“ von Ralph Vaughan Williams läutete zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine neue Ära sinfonischer Musik in England ein. Chor und Solisten lassen das Meer mit seinen vielen Gesichtern lebendig werden. Wellen und Schiffe und ein stiller Strand im Mondlicht entstehen vor dem geistigen Auge.
 
Es ist unschwer festzustellen, dass die Physik der Wellen umfangreich und für Laien kompliziert ist. Das war nämlich erst der ganz einfache Einstieg ins Gebiet der Wellen. Jetzt gerade ruft mich jemand auf dem Mobiltelefon an und, ohne es zu wollen, und ohne darüber nachzudenken, bekomme ich es mit elektromagnetischen Wellen zu tun.
 
Ich schiebe die Gedanken an die physikalischen Vorgänge in den Hintergrund und geniesse die Schönheit des Augenblicks. Das gleichförmige Geräusch der Wellen bringt mich entspannt zum Träumen. Der Traum bringt mir Gedanken an Schwingungen, hervorgerufen durch Stimmungen im Raum, die manche Menschen zur Meinung verführen, sensibel zu sein. Ich sitze in einem Boot, das bei nur wenig Wind in den Wellen schaukelt und denke daran, dass ein Leben ohne Wellen unmöglich wäre, und dass diese Tatsache uns kaum bewusst wird, wie so vieles um uns herum.
 
Hinweis auf andere Blogs über Erlebnisse am Ufer des Meers
05.08.2013: Wanderung im watend begehbaren Meer mit Gärschlamm
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst