Textatelier
BLOG vom: 25.05.2014

Schuldenorgie: Die EU und die europäische Wirtschaftskrise

Autor: Martin Eitel, Wissenschaftspublizist, Berlin
 
1. Einführung
Zahlreiche Politiker in Europa versuchen bzw. versuchten, insbesondere im Vorfeld der EU-Wahl 2014, den Bürgern vorzugaukeln, die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise sei im Wesentlichen die Folge des unverantwortlichen und masslosen Treibens geldgieriger Banker und Finanzjongleure und verantwortungsloser Rating-Agenturen. In diesem Zusammenhang wird von den Politikern gern behauptet, die zur Rettung systemrelevanter Banken nötigen staatlichen Hilfsmassnahmen hätten die Hilfe leistenden Staaten in die jetzt aufgetretenen Schwierigkeiten gebracht. Kaum etwas ist allerdings unzutreffender als dieses von vielen Figuren der politischen Klasse gern verbreitete Märchen.
 
Richtig ist zwar, dass in den USA in der falschen Meinung, Immobilienpreise könnten nur steigen, Immobilienkredite auch an einkommens- und vermögenslose Personen vergeben wurden in der Meinung, wenn diese die Raten nicht mehr bezahlen könnten, könne der Kredit trotzdem durch einen Verkauf über den gestiegenen Wert der Immobilie zurückgezahlt werden. Als 2005 in den USA die Immobilienpreise entgegen dieser Erwartung sanken, haben die US-Banken diese Kredite als „Wertpapiere“ mit teilweise unzutreffenden bzw. auch betrügerischen Ratings weltweit anderen Banken angedreht und diese haben die teilweise wertlosen Papiere in grossen Mengen erworben und sind dadurch in Schieflage geraten. Ursache hierfür war ausser dem Erwerb dieser Papiere auch eine unzureichende Eigenkapitalaustattung. Dadurch gab es in der Tat auch ausserhalb der USA verschiedene Banken, die staatliche Unterstützung erhielten, weil die Politik die Banken für systemrelevant und deren Unterstützung für alternativlos hielt. Ausgeblendet wird dabei die Verantwortung der Politik, die weder auf eine hinreichende Eigenkapitalaustattung der Banken noch eine ausreichende Bankenaufsicht hingewirkt hatte, die ausserdem die Verlagerung von Risiken in Zweckgesellschaften ausserhalb der Bankbilanzen zugelassen und eine ausreichende Kontrolle der Finanzprodukte unterlassen hatte. Anders als die Politiker den Bürgern weiszumachen versuchen, hat die politische Klasse dadurch selbst ganz entscheidend zu den Problemen beigetragen, die jetzt im Nachhinein den Banken und Ratingagenturen mehr oder weniger allein angelastet werden.
 
Die Euro-Krise hat, wie die Professoren Paulus und Schwintowski von der Humboldt-Universität in Berlin dargelegt haben, natürlich nichts mit amerikanischen Immobilienkrediten zu tun. Es geht vielmehr darum, dass einige europäische Regierungen, vor allem Griechenland, aber wohl auch Spanien und Portugal, ähnlich wie die kleinen Hauskäufer in den USA, jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben. Seit Eintritt in den Euro hat die griechische Regierung immer mehr Staatsanleihen aufgelegt. Im Februar 2010 summierten sie sich auf zirka. 283 Mrd. Euro.
 
Entgegen dem Eindruck, der in zahlreichen Medien erweckt wird, ist die Krise auch nicht ansatzweise gelöst. Sie ist nur bis nach den Europawahlen aus dem Blickfeld geraten.
 
Im Vorfeld der Europa-Wahl 2014 wurde von den Bewerbern um Sitze im EU-Parlament und von den beiden Kandidaten für den Posten des Kommissionspräsidenten, Junker und Schulz, viel Wahlkampf gemacht. In diesem Wahlkampf mutierten die beiden Kandidaten plötzlich zu EU-Kritikern. Die für die Wähler zentrale Frage, wie die bis nach den EU-Wahlen 2014 etwas unter den Teppich gekehrte Krise nachhaltig gelöst werden soll, wurde dabei allerdings gar nicht oder nicht mit dem nötigen Tiefgang behandelt.
 
2. Die Wirtschafts- und Finanzkrise als dreidimensionales Problem
Die überwiegende Mehrheit insbesondere der führenden und von der Regierungspropaganda unabhängigen Ökonomen ist der Auffassung, dass die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise eine Erscheinung ist, die durch ein Zusammenwirken verschiedener Probleme ihre heutige Dimension erlangt hat und nach wie vor nicht substanziell gelöst ist. Ein wesentlicher Faktor, der mit zur Krise geführt hat, ist dabei lange Zeit völlig übersehen und soweit ersichtlich, erstmals von Prof. Dr. Sinn vom Münchener IFO-Institut 2011 in den Fokus gerückt worden. Es geht um die erheblichen Ungleichgewichte in den staatlichen Leistungs- und Zahlungsbilanzen.
 
Richtigerweise wird die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise daher auf ein Zusammenwirken von 3 wesentlichen Ursachen zurückgeführt, nämlich auf die exorbitante Zunahme der Staatsschulden in den meisten Staaten, erhebliche Leistungs- und Zahlungsbilanz-Unterschiede der Staaten untereinander, insbesondere auch in der Euro-Zone, und unverantwortliche Geschäfte sowie Exzesse auf den Finanzmärkten.
 
3. Die staatlichen Schuldenorgien als wesentliche Ursache
Richtig ist, dass zahlreiche Banken und Finanzinstitutionen zu der Krise beigetragen haben. Entgegen den Schuldzuweisungen vieler Politiker ist Ausgangspunkt und ganz wesentliche Ursache der aktuellen Krise jedoch die jahrzehntelange Schuldenorgie der politischen Klasse in vielen Staaten. Dies gilt sowohl für die USA als auch für viele Staaten in Europa. Die Staatsschulden haben sich bereits lange Zeit vor der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise in manchen Staaten in astronomische Höhen begeben. Die berühmte schwäbische Hausfrau, die von der früheren mitteldeutschen FDJ-Sekretärin und jetzigen (gesamt-)deutschen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gern zitiert wird, hätte sich ein so verantwortungsloses Treiben selbstverständlich nicht geleistet.
 
Die Entwicklung der Staatsschulden soll hier beispielhaft zunächst für Deutschland gezeigt werden. In anderen Staaten wie insbesondere den USA ist die Entwicklung im Grundsatz ähnlich verlaufen. Die konkreten Gründe sind in den einzelnen Staaten zwar jeweils andere, in den USA z. B. der permanente Kriegszustand, aber die Tendenz ist immer die gleiche: Die Staaten geben Jahr für Jahr erheblich mehr Geld aus, als sie einnehmen, und selbst in Jahren mit besonders hohen Einnahmen wird trotzdem nicht (ausreichend) gespart, und es werden keine Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet.
 
Richtig los ging es mit dem Schuldenmachen in Deutschland während der Dienstzeit des Weltökonomen Helmut Schmidt als Finanzminister und später als Bundeskanzler. Helmut Schmidt, der 1971 unter Kanzler Willy Brandt Finanzminister wurde, übernahm von seinem Amtsvorgänger einen in 22 Jahren Bundesrepublik Deutschland angehäuften Altschuldenbestand des Bundes von 25,498 Milliarden DM. Bis er 1982 sein Amt als Bundeskanzler an Dr. phil. Helmut Kohl verlor, hatte er es geschafft, einen Schuldenstand von 157,722 Milliarden DM anzuhäufen. Natürlich muss man dabei die Inflation berücksichtigen, aber selbst vor diesem Hintergrund ist die Steigerung dramatisch.
 
Schmidt hatte ab 1977 in einer eher geringen Rezession die Verschuldung der Bundesrepublik gezielt und in der Absicht erhöht, Deutschland solle als „Konjunkturlokomotive" die Weltwirtschaft aus dem Konjunkturtal ziehen, indem eine Nachfragesteigerung durch Steuerbefreiungen und -nachlässe erzeugt werden sollte. Argumentiert wurde, die Exportnation Deutschland müsse ihre europäischen Absatzmärkte stützen und Amerika bei der Abwehr der Rezession helfen. Schon damals ist die hehre, aber illusorische Vision, Europa und die Welt durch Schuldenmachen zu retten, jämmerlich gescheitert. Daraus hat die sogenannte politische Elite zu einem grossen Teil aber nichts gelernt, und deshalb verlangen heute Politiker wie Barack Hussein Obama, viele EU-Partner, aber auch die die Grünen und die SPD von Angela Merkel, Deutschland solle die Kassen öffnen, um die Wirtschaft Europas flottzumachen, Südeuropas Jugend eine Zukunft zu bieten und eine Rezession in den USA zu verhindern.
 
Dass und warum das keine gute Idee war, zeigte Helmut Schmidts Misserfolg. Schmidt hatte auf eine unangenehme und zur Existenzkrise hochgeredete Lage mit der Preisgabe seiner Reserven geantwortet, so dass kein Geld mehr in der Staatskasse war, als die Krise schliesslich ernsthaft bedrohlich wurde. Heute empfehlen Schmidts Nachfolger genau dieselben desaströsen Konzepte. Mitten ins antizyklische, auf die ökonomischen Lehren von Keynes gestützte Schuldenmachen platzten 1979 der Sturz des Schahs, der russische Einmarsch in Afghanistan und eine gewaltige Ölpreiserhöhung durch die OPEC, woraufhin die Weltwirtschaft stark einbrach, und die in Kauf genommenen höheren deutschen Schulden fingen an, Schmidt wie ein Mühlstein um den Hals zu hängen.
 
Auf Schmidt und seine desaströse Schuldenpolitik folgte Kohl als Bundeskanzler. Er war von 1982 bis 1998 in diesem Amt. In Kohls Amtszeit stieg die Staatsverschuldung, auch durch den Anschluss der 5 Ost-Bundesländer, steiler an als je zuvor, und später ging es bei seinen Nachfolgern Schröder und Merkel so weiter.
 
Am Ende der Amtszeit von Helmut Kohl 1998 hatten sich in Deutschland die Schulden auf den Gegenwert von umgerechnet 1,153 Billionen EUR erhöht. Im Jahr 2005, als Merkel (CDU) den SPD-Kanzler Gerhard Schröder ablöste, beliefen sich die Staatsschulden des Bundes einschliesslich Bundesländer, Kommunen, Sozialversicherung und Sondervermögen des Bundes auf 1,448 Billionen EUR und Ende 2013 auf ca. 2,044 Billionen EUR. Jeder 12. vom Staat ausgegebene Steuer-EUR entfällt in Deutschland auf Zinszahlungen.
 
Auch in den USA stiegen die Staatsschulden erheblich und immer schneller. Im Jahr 1981 bei Amtsübernahme von Ronald Reagan waren es 1 Billion US-Dollar, 1992 schon 5,39 Billionen US-Dollar und zur Jahrtausendwende 6,42 Billionen US-Dollar. 2013 wurde dann die offizielle Marke von 17 Billionen US-Dollar überschritten, während mit den verdeckten Schulden sogar zirka 70 Billionen zusammenkommen.
 
Politiker wie Helmut Schmidt berufen sich für eine solche Schuldenmacherei gern auf John Maynard Keynes. Den müssen sie aber gründlich missverstanden haben. John Maynard Keynes empfahl zwar zur Rettung der Konjunktur staatliche Interventionen, während die klassische Staatswirtschaftslehre Schuldenmachen nur für berechtigt hielt, wenn damit reale Werte geschaffen wurden, und sie verlangt möglichst rasche Tilgung aller öffentlichen Verpflichtungen, um die Zinslast zu beschränken und die Währungsstabilität zu sichern. Gleichwohl kann Keynes nicht so verstanden werden, wie es heute die Politiker überwiegend tun, dass praktisch immer neue Schulden gemacht werden, selbst wenn hohe Steuereinnahmen eingehen, und dass noch mehr neue Schulden gemacht werden, wenn die Konjunktur bzw. das Wirtschaftswachstum zurückgeht. Dabei wird nämlich ein Teil – und zwar ein ganz wesentlicher – der ökonomischen Theorie von Keynes unterschlagen. Keynes gab den Regierungen nämlich nicht nur den Rat, die Wirtschaft bei einer grösseren Krise mit höheren Staatsausgaben zu stimulieren, sondern auch den, die Staaten sollten vor allem alles dafür tun, dass es erst gar nicht zu solch bedrohlichen Schocks kommt.
 
Durch den gewaltigen Anstieg der Staatsschulden müssen immer höhere Anteile der öffentlichen Haushalte zur Bezahlung der Zinsen verwendet werden. An eine Tilgung der immensen Schulden ist dabei nicht ansatzweise zu denken. Und es wird dem Bürger schon als grosse Leistung der Politik verkauft, wenn zwar jedes Jahr neue Schulden gemacht werden, die Neuverschuldung aber etwas geringer ist als im Vorjahr.
 
Abgesehen von der Kriegführung, für die nicht selten grössenwahnsinnige Fürsten, Könige und Kaiser schon in früheren Jahrhunderten Unsummen verschwendet haben, sind in der Gegenwart Ursache für die Staatsschulden zu einem ganz erheblichen Umfang alle möglichen Arten von direkten und indirekten staatlichen Subventionen und Leistungen, durch die die jeweils gerade Regierenden die Bürger für die Stimmabgabe bei der nächsten Wahl zu korrumpieren versuchen, um sich den Machterhalt zu sichern. Dazu kommen die Kosten für die Realisierung der Wahlversprechen derjenigen Politiker, die vor der Wahl zur Verbesserung ihrer Chancen umfangreiche Versprechungen für den Fall ihrer Wahl gemacht haben und nach ihrer Wahl zumindest einen Teil der Versprechungen auch realisieren müssen, um nicht für die Zukunft völlig unglaubwürdig zu werden. So hat es die Politik geschafft, immer mehr Bürger und auch Wirtschaftsunternehmen zu Empfängern staatlicher Leistungen und Subventionen zu machen, von denen viele überhaupt keine Sozialleistungen oder Subventionen benötigen würden.
 
Hier – und nicht in unstreitig stattgefundenen Exzessen gieriger Banker – liegt die ganz wesentliche Ursache der heutigen Finanz- und Wirtschaftskrise. Das Ergebnis ist der pervertierte Sozial- und Subventionsstaat. Auf der anderen Seite sind die Politiker zu feige, den Bürgern und den Unternehmen die wahren Kosten dieser staatlichen Umverteilungsorgien zu präsentieren und kostendeckende Steuern für diesen staatlichen Ausgabenwahnsinn zu verlangen, weshalb diese Kosten in die Zukunft verlagert und mit Schulden finanziert werden, immer nach dem Motto, kaufe jetzt, zahle später.
 
Ein solcher Sozial- und Subventionsstaat hat mit wirtschaftlicher Freiheit und Marktwirtschaft nichts mehr gemein, sondern mit einer staatlichen Planwirtschaft, wie sie aus der früheren Sowjetunion und der DDR bestens bekannt ist. Die ehemalige FDJ-Sekretärin aus der DDR und jetzige gesamtdeutsche Bundeskanzlerin Merkel kennt sich damit sicher aus. Zu Recht warnen Kritiker wie der Bundestagsabgeordnete Dr. Peter Gauweiler vor einem EU-Zentralkomitee in Brüssel.
 
Der einzige Weg zu einer seriösen Haushaltspolitik ist die Zurückführung der Sozialleistungen und der Subventionen auf das unbedingt erforderliche Mass. Der Sozialstaat, wie er z. B. im Artikel 20 des deutschen Grundgesetzes und in internationalen Abkommen (z. B. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966, insbesondere Artikel 9 ff.) angesprochen wird, erfordert nur die Unterstützung der Bedürftigen, nicht jedoch die umfängliche Verteilung staatlicher Wohltaten an fast oder sogar mehr als die Hälfte der Bürger und Subventionen an unzählige Unternehmen. Nur durch diese Begrenzung des Sozialstaats auf das notwendige Mass und die Entmistung des fast grenzenlosen Subventionsdschungels erlangt der Staat seine finanzielle Handlungsfreiheit zurück.
 
4. Leistungs- und Zahlungsbilanzkrise
Soweit ersichtlich hat Prof. Dr. Sinn als erster bekannter Ökonom die aktuelle Krise in Europa auch als Folge erheblicher Zahlungsbilanzungleichgewichte dargestellt. Diese europäische Zahlungsbilanzkrise wurde im IFO-Schnelldienst vom 31. August 2011 näher dargestellt und wenig später im November 2011 unter dem Titel „Die verborgene Zahlungsbilanzkrise der Eurozone“ auch vom Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Dr. Thomas Mayer, in einem Papier von Deutsche Bank Research ausführlicher behandelt. Bis zum Beginn der Eurokrise im Jahr 2009 wurden die Leistungsbilanzungleichgewichte unter den EU-Mitgliedsstaaten von den EU-Behörden weitgehend ignoriert. Dies änderte sich jedoch, als die EU-Mitgliedsländer mit grossen Haushaltsdefiziten oder hoher Verschuldung sowie trüben wirtschaftlichen Aussichten ein plötzliches Versiegen der Kapitalzuflüsse und sogar Nettokapitalabflüsse verzeichneten.
 
Die Finanzmarktkrise, die im Jahr 2007 vom amerikanischen Immobilienmarkt ausging und die gesamte Weltwirtschaft in eine Rezession stürzte, hat die öffentlichen Haushalte in fast allen Staaten der Welt belastet. Zu den Ausfällen von Steuereinnahmen und höheren Kosten für Sozialleistungen kamen Belastungen durch Rettungsmassnahmen für den Finanzsektor und Konjunkturpakete. In der Folge traten im Euroraum Ungleichgewichte und strukturelle Defizite zu Tage, die sich seit der Einführung der Gemeinschaftswährung aufgebaut hatten, deren bedrohliche Dimension aber erst in der Krise erkennbar wurde.
 
Auf den ersten Blick führte das Versiegen der Finanzströme zu einer Staatsschulden- und Bankenkrise. Als Reaktion darauf gewährte die EU den betroffenen Ländern finanzielle Unterstützung – verbunden mit der Forderung nach Haushaltsanpassungen –, während die EZB die Banken stützte. Auf den zweiten Blick jedoch verbirgt sich dahinter eine Zahlungsbilanzkrise, die bislang nur geringe Aufmerksamkeit erhalten hat und die durch eine unangemessene Bewertung der internen realen Wechselkurse bedingt ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt generiert das Eurosystem reale Ressourcentransfers in Form von subventionierten Krediten von Gläubiger- an Schuldnerstaaten, die über das sogenannte Target-2-System abgewickelt werden. Die südlichen Club-Med-Staaten der EU erhalten nicht nur über die offiziellen Rettungsmassnahmen wie EFSM, EFSF und ESM Hilfsgelder, sondern zusätzlich Kredite über das Zahlungssystems der Zentralbanken des Eurosystems (TARGET2). Da die EWU als Union souveräner Staaten konzipiert wurde, blieben in den Mitgliedsländern die nationalen Zentralbanken erhalten, die gemeinsam das sogenannte Eurosystem mit der EZB an der Spitze bilden. Die nationalen Interbanken-Zahlungssysteme wurden zu einem Interbanken-Zahlungssystem des Euroraums fusioniert (TARGET2); hier haben die nationalen Zentralbanken die Rolle als Bindeglied zwischen den einzelnen Ländern übernommen. Eine wichtige Konsequenz dieses Systems ist, dass jedes Mitgliedsland der Eurozone eine nationale Zahlungsbilanz in Form der Nettoposition seiner Zentralbank innerhalb von TARGET2 führt. Diese Nettoposition kann zu Forderungen (Zahlungsbilanzüberschuss) bzw. Verbindlichkeiten (Zahlungsbilanzdefizit) gegenüber der EZB führen, die das Herzstück des Zahlungssystems darstellt. Als Folge dieses Systems erhält ein Land mit einem Zahlungsbilanzdefizit automatisch unbegrenzte Finanzierungsmittel.
 
5. Unverantwortliche Bankgeschäfte und Finanzexzesse
Selbstverständlich sind neben den weiter oben genannten Ursachen, also der Staatsschulden- und der Leistungs- und Zahlungsbilanzkrise auch unverantwortliche Bankgeschäfte und Exzesse auf den Finanzmärkten in gewissem Umfang mitursächlich dafür, dass in zahlreichen Staaten nach der 2007 beginnenden Finanzkrise staatliche Ausgaben getätigt und zusätzliche staatliche Defizite in Kauf genommen wurden, um die durch verantwortungslose Finanzgeschäfte in Schieflage geratenen Banken zu retten. Dafür tragen allerdings auch Politiker eine erhebliche Mitschuld, weil sie durch falsche politische Entscheidungen nicht nur die Fusion von Geldverleihern zu angeblich systemrelevanten Konzernen zugelassen haben, ohne entsprechende Haftungsregeln vorzusehen, sondern auch durch zu laxe Regeln erst die verantwortungslosen Bankgeschäfte wie die Unmengen von Derivaten etc. ermöglicht haben. Auch wurden nach Beginn der Krise entgegen marktwirtschaftlichen Regeln, die ein Ausscheiden gescheiterter Unternehmen aus dem Markt ermöglichen sollten, in unverantwortlicher Weise von politischen Entscheidungsträgern mit Steuergeldern angeblich systemrelevante Banken unterstützt, anstatt sie geordnet abzuwickeln. Die Politik hat es mehrheitlich zugelassen, dass die Gewinne der riskanten Zockerei privatisiert und die Verluste einer schief gegangenen Zockerei vergemeinschaftet werden konnten. Ausnahmen gab es nur vereinzelt, z. B. in Island.
 
Richtig ist zwar, dass die politisch falsche Rettung angeblich systemrelevanter Banken anstelle ihrer geordneten Abwicklung zu einer gewissen Zunahme der Staatschulden geführt hat. Zu erinnern ist aber, dass in vielen Staaten wie insbesondere in den USA und in Deutschland die Staatsschulden auch schon vor der 2007 beginnenden Finanzkrise und der Bankenrettung unverantwortlich hoch waren. Die exorbitanten Staatsschulden sind also in den meisten Staaten durch die als Folge der Finanzkrise vorgenommenen Rettungsaktionen nur noch höher geworden, waren aber schon vorher existent und unverantwortlich. Für Deutschland wurden die Kosten der Finanzkrise für die 2 Jahre 2009 und 2010 gemäss einer Studie auf 187 Milliarden EUR berechnet, wovon allerdings ein erheblicher Teil auf Konjunkturpakete und ähnliche Massnahmen entfiel und nur 36 Milliarden EUR durch die Abwicklungsanstalten für den Wertpapierschrott der Banken (sogenannte Bad Banks) angefallen sind. Zwar ergeben sich für den deutschen Haushalt durch die Zusagen gegenüber dem ESM und seinen Vorgängern Haushaltsrisiken in Höhe eines dreistelligen Milliarden-Betrages. In die zirka 2 Billionen EUR deutsche Staatsschulden sind bis 2012 durch die sogenannte Euro-Rettung bzw. Griechenland-Rettung aber keine zusätzlichen Schulden eingegangen, weil der deutsche Finanzminister daran in Form von Zinszahlungen sogar profitiert hat. Bis 2010 machen also die durch die Banken- und Euro-Rettung direkt angefallenen zusätzlichen Schulden in Deutschland mit 36 Milliarden EUR eine Grössenordnung von etwa 2 % aus. Die Staatsschulden in Deutschland sind nur in geringem Umfang auf die Folgen der Finanzkrise und überwiegend auf das Versagen der politischen Führung zurückzuführen. Wer anderes behauptet, betreibt Volksverdummung.
 
In manchen anderen Staaten, z. B. in Griechenland, Irland und Spanien, sind die Staatsschulden zwar seit Beginn der Krise stärker gestiegen. Das ist aber überwiegend Folge falscher politischer Entscheidungen, weil diese Staaten Pleitebanken z. B. aufgrund politischen Drucks von aussen nicht abgewickelt, sondern mit Steuergeld unterstützt und Marktgesetze ausser Kraft gesetzt haben.
 
6. Keine brauchbaren Lösungsvorschläge in der EU
Im Wahlkampf der Parteien und Kandidaten im Zusammenhang mit der Europa-Wahl 2014 wurden leider keine brauchbaren Vorschläge der Bewerber vorgestellt, die Lösungsansätze für diese Krise erkennen lassen. Das gibt Anlass zu der Befürchtung, dass es nach wie vor keine konkreten Vorstellungen gibt, wie diese 3-dimensionale Krise vernünftig gelöst werden soll.
 
Man hört zwar immer wieder, dass die Verursacher der Krise an deren Kosten beteiligt werden sollen, und neben der von der EU beschlossenen Bankenunion wurde von einigen EU-Staaten eine Finanztransaktionssteuer auf den Weg gebracht, die der Europäische Gerichtshof auch im Grundsatz für zulässig angesehen hat.
 
Die Finanztransaktionssteuer und die von der EU beschlossene Bankenunion sind aber definitiv keine ausreichende Lösung; sie sind nicht mehr als ein ganz bescheidener Ansatz. Der im Rahmen der EU-Bankenunion geplante Notfallfonds mit 55 Milliarden EUR, der zudem in einem Zeitraum von 8 Jahren gesammelt werden soll, ist ein schlechter Scherz und reicht im Ernstfall nicht weit. Denn die in den Bankbilanzen versteckten Risiken umfassen ein Vielfaches dessen, was hier an Beiträgen der Banken eingesammelt werden soll. Weltweit wird von Derivaten in der Höhe von 684 Billionen US-Dollar ausgegangen, die noch entsorgt werden müssen. Mit Unmengen von realem Geld. Bei europäischen Banken sollen sich mehr oder weniger faule Derivate im Umfang von ca. 300 Billionen EUR angesammelt haben. Da sind die 55 Mia. EUR im Notfall-Fonds der EU nichts als Peanuts, wenn die Derivate-Blase platzen wird.
 
Die Finanztransaktionssteuer auf Finanzprodukte ist eine Art Umsatzsteuer. Nachdem für fast alle Produkte von Grundnahrungsmitteln bis zu Luxusgütern die Umsatzsteuer anfällt, ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auch der Handel mit Finanzprodukten einer Art Umsatzsteuer unterworfen wird. Für Deutschland liegen die Schätzungen zwischen 2 und 11,2 Milliarden EUR an Einnahmen jährlich.
 
Die auch bei Ökonomen vorhandene Erkenntnis, dass die EU-Bankenunion und die Finanztransaktionssteuer nur einen bescheidenen und bei weitem nicht ausreichenden Lösungsansatz darstellen, scheint offenbar auch die Deutsche Bank zu teilen, wenn sie aktuell eine deutliche Kapitalerhöhung um 8 Milliarden EUR anstrebt. Im Hinblick auf die Derivate-Blase, von der auch die Deutsche Bank betroffen sein dürfte, und vor dem Hintergrund drohender Rechtsstreitigkeiten wird aber auch diese Kapitalerhöhung kaum für die realen Risiken dieser Bank ausreichen.
 
Die Regelung über die EU-Bankenunion ist ein weiteres Beispiel für die fast grenzenlose Volksverdummung durch die europäischen Politiker. Jede Regierung – also auch die EU-Regierung (EU-Kommission) arbeitet für ihren Meister ‒ die Elite, die Oligarchen. Alle sind essentiell parasitär, diebisch und oft mörderisch (Bill Bonner).
 
 
Quellenangaben
 
Zu 1:
 
 
 
Zu 2:
 
Zu 3:
 
 
 
Zu 4:
 
Zu 5:
 
 
 
 
zu 6:
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Hinweis auf weitere Blogs über die EU
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst