Textatelier
BLOG vom: 04.06.2014

55-Jahre Klassentreff: Napoleongedenkstein, Teufel im Glas

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Auf zu neuen Ufern. Schwimmen werden wir nicht, in See stechen auch nicht, auch nicht Golf spielen, aber wir werden etwas unternehmen“, schrieb unserer Organisator und Kamerad Heinz Track in einer Vorankündigung zu unserem Klassentreffen, 55 Jahre nach Schulabschluss. Er machte uns mächtig neugierig und verriet die Unternehmungen nicht.
 
Am Samstag, 24.05.2014, war es dann so weit. Wir erhielten das Programm zum Klassentreffen der ehemaligen 6a, Abschlussjahrgang 1959. Wir waren alle erstaunt, was Heinz an 2 Tagen alles an Unternehmungen hineingepackt hatte.
 
Treffpunkt war im „Parkhotel Donauwörth“, Raum „Sternschanze“. Da ich mit dem Zug anreiste, kam ich etwas später in den Raum. Dort waren die meisten Klassenkameraden und einige Ehefrauen schon versammelt. Die Begrüssung war überwältigend, genauso wie beim letzten Treffen 2009 (siehe Blogs vom 13.10. und 14.10. 2009). Und schon begann die Unterhaltung. Es folgte ein reger Gedankenaustausch, es wurden Erinnerungen aufgefrischt und manch ein Schulstreich präsentiert.
 
Dann fuhren wir mit dem Reisebus zum „Café Hummel“ in der Bahnhofstrasse in Donauwörth. Das Café war mir schon bekannt. Ich musste während meiner Schulzeit immer meiner Mutter die berühmten, schmackhaften Marzipankartoffeln mitbringen.
 
Heinz führte uns in einen Nebenraum des Cafés. Auffällig war die künstlerische Wandbemalung. Es wurden die 4 Jahreszeiten präsentiert. In der zur Jahreszeit passenden Umgebung stand jeweils eine hübsche Frau. Besonders reizvoll fand ich den „Sommer“ mit einer unverhüllten Dame.
 
Wir wurden dann nicht zu sehr abgelenkt, konzentrierten auf Kuchen, Torten, Plunder und Eis. Es waren sehr schmackhafte Speisen. Die Damen unserer Gesellschaft erhielten süsse, leckere Pralinen überreicht. Eine Praline konnte ich erhaschen und vernaschen.
 
Während wir uns die Köstlichkeiten einverleibten, hielt Heinz Track als Willkommengruss eine Rede. So erfuhren wir, dass die Vorbereitungszeit für das Treffen 1 ½ Jahre dauerte. Zunächst war wenig Echo zu vernehmen, aber zu Beginn des Jahres hatten sich dann doch die meisten für ein Treffen entschieden. Leider gab es wegen Krankheit und familiären Gründen 5 Absagen. Heinz erläuterte das Motto des diesjährigen Treffens so:
 
„Das Motto ,auf zu neuen Ufern‘ bedeutet nicht Orts-, sondern Programmveränderung, festlicher, beweglicher, abwechslungsreicher. Das war meine Vision, und es liegt an uns allen, zum Gelingen beizutragen.“
 
Unser Organisator, der alles minutiös und hervorragend geplant hatte, erwähnte noch, dass es Schwierigkeiten mit der Auswahl des Zielortes gegeben hat. Die einen waren für Nördlingen, die anderen für den Besuch der Tilly-Stadt Rain am Lech. Was tun? Nun, Heinz wollte niemanden enttäuschen, ein attraktives Ziel musste her. „Da kam ich auf den Gedanken, unseren Schulwandertag, seinerzeit am 26.05.1959, fast auf den Tag genau vor 55 Jahren, zu wiederholen, aber nicht zu Fuss, sondern per Bus.“ Das gelang ihm vollkommen, wie wir später feststellen konnten.
 
Er stellte sogar eine Art Festschrift zusammen. In 2 Ringordnern präsentierte er Info-Material, Fotos aus der Schulzeit und Texte aus Fachliteratur. Die Ordner konnten wir dann im Bus und auch nach dem Abendessen durchsehen.
 
Wanderung zum Napoleongedenkstein
Das erste Ziel unserer Busreise war der Napoleongedenkstein oberhalb der Schäfstaller Kirche. Auf schotterigem Weg ging es etwa 150 m bergauf. Ich war der irrigen Meinung, da oben würde ein grosses „Denkmal“ stehen. Es war aber nur ein unscheinbarer Stein mit einer eisernen Platte zu sehen. Die Aufschrift lautet: „Von hier aus beobachtete Napoleon Bonaparte am 7. Oktober 1805 den Übergang seiner Truppen über den Lech.“
 
Napoleon zog natürlich auch durch Donauwörth. Beim Mittagstisch im Kloster soll der Monarch gesagt haben: „Donauwörth hat eine ungemein schöne Lage. Man stellte mir diesen so bekannten Ort weit grösser vor, als er wirklich war.“
 
Nach dieser Exkursion besuchten wir das Gelände des Schäfstaller Kirchleins. Von hier aus hatte man einen schönen Blick auf die Auen der alten, unregulierten Donau.
 
Dann verliessen wird das schöne Plätzchen und fuhren mit dem Bus zum Schloss Leitheim. Während der Fahrt sangen wir mit voller Inbrunst das Lied „Hoch auf dem gelben Wagen“, quasi zur Einstimmung für spätere Lieder, die wir in der Schlosskirche Leitheim zum Besten geben sollten.
 
Schloss Leitheim, ein Juwel
Das Schloss gehört laut „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler“ zu den besten und reizvollsten Leistungen des bayerisch-schwäbischen Rokokos.
 
Das Schloss beherbergte etliche prominente Zeitgenossen. Im Dezember 1778 nächtigte Wolfgang Amadeus Mozart im Kloster Kaisheim, und er besuchte dann auch das Leitheimer Schloss. Bevor er nach München weiterreiste, schrieb er seinem Vater Leopold aus Kaisheim vor seinem Besuch in Leitheim: „Das kostbareste muss ich erst sehen.“
 
Am ehemaligen Weingärtnerhaus vorbei schritten wir durch das Rokokotor und erreichten die grosse Terrasse. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick in die Donau-Lech-Ebene. In weiter Ferne sah ich die 2 Kühltürme des Atomkraftwerkes Gundremmingen und einen Kirchturm im etwa 50 km entfernten Augsburg. Wie ich mir sagen liess, hat man bei schönem Wetter einen einmaligen Fernblick bis zu den Alpen.
 
Wir sahen uns um. Der kubische Bau des Schlosses ist schlicht, aber reizvoll. Ebenmässig und edel wirkt der Laubengang, der vom 1. Stock des Schlosses zur St. Blasius-Kirche führt. Meine Betrachtungen musste ich beenden, da unsere Führerin, Frau Gerti Bock, auftauchte und uns begrüsste.
 
Unsere redegewandte und charmante Führerin plauderte über die Geschichte des Schlosses, brachte aber auch Fakten zum Weinbau zu Gehör. Ursprünglich befand sich hier ein Hofgut des Zisterzienserklosters „Kegesheim“ (heute Kaisheim). Die sonnigen Hänge waren für den Weinbau wie geschaffen. Für die Kultivierung des Weinanbaus sorgte 1427 Abt Leonhard Weinmayr. Später wurde das Anbaugebiet vergrössert. Spitzenerträge von 500 und später sogar 600 Eimern (etwa 50 000 Liter) wurden erzielt. Die Qualität des Weins war ähnlich hoch wie die der Neckarweine. Erst die Reblaus machte dem Anbau den Garaus. Heute sind Anbaubestrebungen mit maximal 100 Weinstöcken im Gespräch. Gerne hätten wir auf der Terrasse den so gelobten Wein verkostet. Wir wurden auf später vertröstet.
 
Kurz zur Geschichte. Mit dem Bau des Schlösschens und der Kirche wurde 1681 begonnen. Das Schloss sollte für von Krankheiten geplagten und erholungsbedürftigen Zisterzienser ein Erholungsort, ein „geistliches Sanatorium“ sein. 1696 wurden die Bauten vollendet. Später erhielt das Schloss ein 3. Geschoss und sein mächtiges Mansardenwalmdach.
 
Wir wurden dann ins Schloss gebeten. Es ging über knarrende Dielen und Treppen in den 1. und 2. Stock. Viele Räume waren nicht mehr möbliert. Im Zuge der Säkularisation (Enteignung allen kirchlichen Besitzes durch den Staat) wurden die prächtige Bibliothek nach Neuburg und Kunstschätze nach München verbracht oder teilweise verhökert. Nur 2 Gemälde von Äbten, die schweren Kachelöfen, einige Schränke und ein grosses Porzellanservice blieben im Schloss.
 
Im Treppenhaus, den Nebenräumen im 2. Stock und dem Rokokofestsaal sind die prächtigen Freskenzyklen bestechend. Dargestellt sind „Der Tag vertreibt die Nacht“, „Die 4 Jahreszeiten“, „Die Nacht vertreibt den Tag“, „Die 5 Sinne“, „Die 4 Elemente“, „Die 4 Lebensalter“ und andere. Der Alltag wird eindrucksvoll und künstlerisch einmalig dargestellt. Heinz Track hatte schon in seiner Rede erwähnt, man solle besonders auf das „Alter“ achten und dann zurück zur „Kindheit“, die unbeschwert und glücklich dargestellt ist, blicken. „Das wollen wir geniessen und von unserer Jungendzeit träumen.“
 
Der Teufel im Glas
„Achten Sie bei der Freske ‚Die 5 Sinne‘ auf den Mönch, der 2 Knaben den „Teufel im Glase zu Kaisheim“ zeigt“, so Gertrud Bock. Sie erwähnte dann die folgende Sage (verkürzt wiedergegeben).
 
Die Tochter des Herzogs von Kärnten war vom Teufel besessen. Die Mönche des Klosters von Stams gaben sich als Exorzisten Mühe, den Teufel auszutreiben. Sie waren jedoch nicht erfolgreich. Der Teufel tobte herum und schrie: „Keiner von euch bringt mich heraus aus der Maid, höchstens der Mönch aus Kaysersheim!“ Das war der Mönch, der das Gelübde ablegte, niemals mehr ein Kloster zu betreten (er wollte nur noch Gott dienen). Das wusste der Böse und wollte ihm eine Falle stellen. Der Abt entband ihn vom Gelübde und sandte den Mönch nach Kärnten. Der Teufel tobte herum, verliess aber die Tochter des Herzogs. Dem Mönch gelang es, den Üblen in eine Büchse zu sperren und mit nach Kaysersheim zu bringen. Dort sperrte er den Satan in ein Glas und hängt dieses unter dem Kirchengewölbe auf. Es war eine Qual für den Satan, wenn er das Gotteslob hörte. Der Teufel störte mit seinem Geschrei den Chorgesang oder neckte die betenden Mönche. 1543 schlug der Blitz in den Kirchturm ein und zerstörte das Glas. Der Teufel entwich und versteckte sich in den Felsen des Harburger Schlossbergs. Der „Teufel im Glas“ ist am Harburger Brunnen symbolisch verewigt.
 
Die Fresken hat Godefried Bernhard Göz (1708−1774) im Auftrag von Abt Cölestin I. Meermoos geschaffen. Er war der Erfinder des Farbkupferstichs und schuf auch in Konstanz, Meersburg, Augsburg, Amberg, Regensburg, Mainz herrliche Fresken. Die Fresken sind mit einem Rocaillestuck umrahmt.
 
Leitheim ist heute bei Musik- und Kunstliebhabern in den Sommermonaten im Rokokofestsaal beliebt. Es war Albrecht Freiherr von Tucher, der 1959 die „Leitheimer Schlosskonzerte“ begründete. Die Veranstaltungen finden immer vor maximal 150 Gästen statt. Bekannt ist auch der sehr rührige „Freundeskreis Schloss Leitheim e.V.“
 
2008 ging das Schloss in den Besitz der „Messerschmidt Stiftung München“ über. Geplant ist der Bau eines Hotels neben dem Schloss.
 
Nach der Führung gingen wir in die St. Blasius-Kirche – und da gab es eine weitere Überraschung. Heinz Track hatte nämlich einen Organisten bestellt − es war unser Kamerad German Schreiber, keiner wusste das! −, der dann für uns 3 Kirchenlieder (darunter das Lied „Grosser Gott wir loben dich…“) auf einer Steinmeyer-Orgel spielte. Heinz verteilte Kopien der Liedertexte, und wir sangen ganz gut mit. Früher in der Schule hatte das sicher besser geklungen. Wir mussten ab und zu auf der Orgelempore der Klosterkirche Heilig Kreuz mitsingen. Und wehe, wenn einer nur so tat, der Musiklehrer merkte das. Dann gab es ein Donnerwetter.
 
Mit den Liedern, wie Heinz betonte, wollten wir unseren Dank zum Ausdruck bringen, unsere kranken Kameraden nicht vergessen und derer, die nicht mehr sind, im Stillen gedenken.
 
Danach fuhren wir über Kaisheim zurück nach Donauwörth. Aus Zeitgründen konnten wir die dreischiffige Kaisheimer Basilika des Klosters nicht besichtigen. Es wären wohl zu viele Eindrücke gewesen. Der Ausflug war dennoch super. Alle waren sehr zufrieden.
 
Ein Abend voller Witze
Den Abend verbrachten wir dann im „Parkhotel“. Es wurde gespeist, getrunken und erzählt. Einige waren vom „König Ludwig Bier“ (Bier von königlicher Hoheit; gebraut von Prinz Luitpold von Bayern) so begeistert, dass es nicht bei einer Flasche blieb. Es ging sehr heiter zu. Heinz Track rief die Kameraden in einem Schreiben schon vorher auf, sie möchten doch auf Krankengeschichten verzichten. Das taten wir auch.
 
Kamerad Adolf Hermann erzählte Witze am laufenden Band. Nach jedem Witz folgte ein Beifallssturm. Heinz Track brachte einige Sprüche und das folgende Gedicht von Wilhelm Busch zu Gehör (aus: Kritik des Herzens, 1874). Er wollte damit anmerken, nicht zu viele Ämter oder Aufgaben zu übernehmen. 
Wirklich, er war unentbehrlich!
Überall, wo was geschah
Zu dem Wohle der Gemeinde,
Er war tätig, er war da.
 
Schützenfest, Kasinobälle,
Pferderennen, Preisgericht,
Liedertafel, Spritzenprobe,
Ohne ihn, da ging es nicht.
 
Ohne ihn war nichts zu machen,
Keine Stunde hatt’ er frei,
Gestern, als sie ihn begruben,
War er richtig auch dabei.
Die meisten von uns können jetzt ruhig den Lebensabend geniessen. Es ist gut, wenn man sich nicht unentbehrlich fühlt und nicht überall dabei sein muss. Diesen Eindruck hatte ich von allen anwesenden Kameraden.
 
Am Sonntag, 25.05.2014, wurden ein gemeinsamer Gottesdienstbesuch in der Klosterkirche Heilig Kreuz und danach eine Stadtführung durch Xaver Friedenberger angeboten.
 
Da ich diese Unternehmungen schon kannte, lud ich meine Schwester Ursula und meinen Schwager Dieter, die unweit von Augsburg (Aichach) wohnen, zu einem Frühstück und anschliessendem Rundgang durch Donauwörth ein. Einen Abstecher zum Grab unserer Eltern auf dem Kaisheimer Friedhof und eine Fahrt durch Buchdorf (dort wohnten wir bis 1955) wurden realisiert.
 
Das Mittagessen im Gasthof „Goldener Hirsch“ in der Reichsstrasse mit den Kameraden war nicht mehr möglich, da ich meinen Zug erreichen musste. Es war eine 6-stündige Zugfahrt, die ich dann ganz gut ohne Verspätung überstanden habe.
 
Abschliessend muss ich unserem Organisator Heinz Track ein herzliches Dankeschön zurufen. Er hat es durch seine Tätigkeit bei der Ausarbeitung und Realisierung des 55-jährigen Klassentreffens verstanden, alle zu begeistern. Dieses Treffen wird mir und sicherlich auch den anderen Kameraden lange in Erinnerung bleiben.
 
 
Internet
www.myheimat.de (Sage über den „Teufel im Glas“)
 
Literatur
Hilber, Marc: „Schloss Leitheim“, Freundeskreis Schloss Leitheim e.V., 86687 Kaisheim-Leitheim, 2001.
 
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