Textatelier
BLOG vom: 22.11.2014

Eine müde Jungkönigin im „Pelz“ sass auf einer Blüte

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
 
Es handelt sich hier um keine zweibeinige Königin, die sich mit einem Pelz bekleidet, sondern um eine Hummel, die scherzhaft als „Biene im Pelz“ bezeichnet wird. Durch das pelzförmige Haarkleid verträgt sie niedrigere Temperaturen als die Biene. Einige Arten kommen sogar im Hochgebirge vor.
 
Bei einem Rundgang durch Schopfheim entdeckte ich am 09.11.2014 neben der Goethestrasse auf einer Blüte eine Hummel (Bombus). Sie machte jedoch einen müden Eindruck, wohl weil an diesem Tag die Temperatur um 13 °C lag. Ich konnte ungehindert nahe herangehen und fotografieren.
 
Kaum zu glauben, dass ein Hummelvolk je nach Art aus etwa 50 bis 600 Tieren besteht. Eine Königin hat viele Arbeiterinnen. Aber es gibt auch Jungköniginnen und Männchen, die in der Unterzahl sind. Sie sind nur für die Begattung zuständig. Dann leben sie nicht mehr lange. Arbeiterinnen und Drohnen haben eine Lebensdauer von 3 bis 4 Wochen. Die Königinnen erreichen ein Alter von bis zu einem Jahr.
 
Wie im Heft „Hummeln. Unersetzliche Helfer“ von der Stiftung der Landesbank Baden-Württemberg aus Stuttgart nachzulesen ist, fliegen die Hummeln schon ab einer Temperatur von 2 bis 5 °C (Honigbienen erst ab 12 °C). Sie verbrauchen dann pro Tag zirka 150 mg Zucker (Körpergewicht: zirka 1.2 g). Die Hummeln ernähren sich von Nektar und Pollen. Sie sind sehr fleissig: sie besuchen 5 Mal so viele Blüten wie Bienen.
 
Aufgrund der Reduzierung der natürlichen Lebensräume und der Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft wurde der Bestand von Hummeln dezimiert. Von 38 heimischen Arten sind nur noch 7 häufig anzutreffen.
 
War es eine Jungkönigin?
In meinem Blog vom 05.04.2014 („Seltsame Löss-Löcher, Wildbienen und ein Wertholzplatz“, unten verlinkt) erwähnte ich Matthias Richter und seinen Flyer „Eine Zukunft für Wildbienen“. Dabei kam mir die Idee, ihn anzuschreiben und von meiner Beobachtung der Hummel zu berichten. Er schrieb mir die folgenden Zeilen:
 
„Ich vermute, dass es sich bei der Hummel um eine Jungkönigin handelt, die nun an den letzten warmen Tagen des Jahres noch Nahrung sucht, um dann den Winter an einer geschützten Stelle überwintern zu können. Hummeln bilden nur einjährige Staaten, d. h. es überwintert nicht das ganze Volk (wie bei der Honigbiene), sondern nur die im Sommer/Herbst geschlüpften und begatteten Jungköniginnen. Die Hummelvölker sollten jetzt zu dieser Jahreszeit schon eingegangen sein. Im Frühjahr werden dann die Jungköniginnen auf die Suche nach einem geeigneten Nistplatz für die Gründung eines neuen Volkes gehen (z. B. Nester von Mäusen). Ich finde es sehr interessant, wie diese Insekten es schaffen, biologisch für die richtige Funktion programmiert zu sein. Die Königinnen leben deutlich länger als die Arbeiterinnen und haben komplett andere Aufgaben als die Arbeiterinnen zu erfüllen. Auch bei den Honigbienen, die als Volk überwintern, gibt es Winterbienen; das sind Arbeiterinnen, die den ganzen Winter lang leben (Sommerbienen leben nur wenige Wochen!). Da gibt es sicherlich viele spannende unerforschte Fragestellungen.
 
Hummelköniginnen sind auch ein gutes Stück grösser als die Arbeiterinnen. War die gesehene Hummel verhältnisweise gross?“
 
Die Hummel war gross. Nach dem Literaturstudium habe ich mir gedacht, dass es sich hier um eine Jungkönigin handeln könnte. Meine Vermutung fand eine Bestätigung durch einen Fachmann. Ein herzliches Dankeschön an Herrn Richter!
 
Film über Hummeln
ARTE sendete am 12.11.2014 einen Film über Hummeln („Hummeln – Bienen im Pelz“). Spektakulär waren Darstellungen im Zeitraffer oder in Zeitlupe sowie ausgezeichnete Nah- und Luftaufnahmen. Hier der Link:
 
 
Die Hummeln sind auch Bestäubungsinsekten. Im konventionellen Anbau von Obst und Gemüse, aber auch im Treibhausanbau von Tomaten, kommen die fleissigen Hummeln zum Einsatz. Der ARTE-Film zeigte die kommerzielle Hummelzucht im belgischen Westerlo. Hier werden Hummelvölker zur Bestäubung gezüchtet. Die Hummelvölker werden mit Flüssignahrung in portablen Boxen auf die Reise geschickt. Das Handelsgut ist im In- und Ausland sehr begehrt.
 
Die Hummeln sind ebenso wichtige Bestäuber wie Bienen, sind jedoch weniger anfällig für Schädlinge wie die Varroamilbe, Viren und Pestizide. Diese sind ja für das Bienensterben verantwortlich. „So besteht Hoffnung, dass Hummeln deren Aufgabe bei der Bestäubung von Kulturpflanzen übernehmen. Sie wurden bereits in der biologischen Landwirtschaft in Gewächshäusern eingesetzt“, wie unter www.arte.tv nachzulesen ist.
 
Es gibt sie, die Kuckuckshummel
Kaum zu glauben: Es gibt auch einen Kuckuck unter den Hummelarten, nämlich die Kuckuckshummel (Psithyrus). Da sie keine Vorräte sammelt und auch keine Nester baut, hat sie gelernt, die Nester von Hummeln der Gattung Bombus zu übernehmen. Sie lassen die normalen Hummeln für sie arbeiten, Nahrung beschaffen und Jungtiere aufziehen. Kein Wunder, dass diese Hummelart als Sozialparasiten und Schmarotzerhummeln bezeichnet wird.
 
Fazit: Waren das Ausflüge von Insekten infolge des warmen Novembers? Es soll ja der wärmste Novemberbeginn gewesen sein. Auch die Pflanzenwelt spielt manchmal verrückt, so beobachtete ich am 09.11.2014 etliche blühende Löwenzahnpflanzen.
 
Internet
 
Literatur
Dierl, Wolfgang: „BLV Naturführer Insekten“, BLV Verlagsgesellschaft, München 1978.
Knieriemen, Dominik: „Magabombus muscorum, die Schönheitskönigin der Hummeln“, „Natürlich“, 04/2000.
 
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