Textatelier
BLOG vom: 16.01.2015

Recherchen 20: Wie wirksam sind Wildwarner am Auto?

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
 
„Was tun, wenn man Wildschweine auf der Strasse trifft?“ Diese Frage wurde in einem Bericht der „Badischen Zeitung“ am 04.12.2014 gestellt. Beim Lesen kam mir die Idee, doch einmal einen Leserbrief über ein angeblich wirksames Gerät, um Wildunfälle zu vermeiden, an die Redaktion zu senden. Der Leserbrief mit folgendem Inhalt wurde am 10.12.2014 publiziert:
 
„Während unseres Urlaubs auf Rügen führte uns ein passionierter Förster und Jäger namens Munder anlässlich einer Wanderung herum. Er erzählte uns von den vielen Wildunfällen durch Wildschweine. Er hatte sich einen Ultraschall-Wildwarner an seinem Auto installiert. Das Produkt ist schon für wenige Euro zu bekommen und kann mittels Klebestreifen auf die Stossstange des Autos oder an einer anderen Stelle im Frontbereich geklebt werden. Durch den Fahrtwind wird bei einer Geschwindigkeit des Autos von 50 km/h ein Hochfrequenz-Ton erzeugt, den die Wildschweine nicht mögen.
 
Herr Munder brachte seine Verwunderung zum Ausdruck, dass diese vom TÜV genehmigten Wildwarner noch nicht überall bekannt sind und auch nicht von Automobilclubs oder Autoversicherungen empfohlen werden. Die Anzahl von Wildunfällen würde sich dramatisch reduzieren lassen. Wichtig ist auch, dass die Autofahrer mit angepasster Geschwindigkeit fahren.“
 
Soweit meine Leserzuschrift. Am darauffolgenden Tag sprach mich eine Frau in  Schopfheim an. Sie wollte erfahren, wo man ein solches Wildwarngerät kaufen könne. Ich riet ihr, im Internet nachzusehen, dort seien einige Lieferanten erwähnt.
 
Nächtliche Fahrt mit Folgen
Dann erzählte sie mir die folgende Geschichte: Bei einer nächtlichen Fahrt mit ihrem Mercedes auf einer Landstrasse in Bayern kam ihr ein Wildschwein in die Quere. Der Aufprall an ihrem Auto kam so überraschend, dass sie vorher nicht bremsen konnte. Zum Glück wurde sie nur wenig verletzt. Am Auto entstand ein Schaden von 13 000 Euro, den die Versicherung bezahlte. Sie verspürt immer ein mulmiges Gefühl, wenn sie bei Dunkelheit über den Dinkelberg, der oft von Wild frequentiert wird, fährt. Aus diesem Grunde möchte sie unbedingt ein Wildwarngerät kaufen.
 
Auch ein Wanderfreund wollte Näheres von mir wissen. Seine Frau würde sich wesentlich sicherer fühlen, wenn ein solches Gerät an ihrem Auto wäre, sagte er.
 
Vollmundige Versprechungen?
Ultraschall Wildwarngeräte sind über Conrad Electronic oder Amazon zu bekommen. Sie sind relativ billig und kosten zwischen 6 und 11 Euro. In der Produktbeschreibung las ich dies:
 
„Der Wildwarner vertreibt alles Tier, die auf hochfrequente Geräusche empfindlich reagieren. Geräuscherzeugung durch den Fahrtwind ab einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h (für den Menschen kaum zu hörende Pfeiftöne). Ausstrahlungsbereich mehr als 400 Meter in Fahrtrichtung. Menschen und Tiere im Fahrzeug können die hochfrequenten Ultraschallsignale nicht hören. Selbstklebende Befestigung an der Fahrzeugvorderseite. Mittels Schlüssel vom Sockel zur Reinigung abnehmbar.“
 
Die hier gemachten Versprechungen der Wirkung eines solchen Gerätes wollte ich genauer unter die Lupe nehmen.
 
Als Mitglied schrieb ich an den ADAC in München. Von Christoph Hecht, Fachreferent Verkehrssicherheit und Strassenbewertung, Ressort Verkehr und Interessenvertretung, erhielt ich in einer E-Mail vom 07.01.2015 die folgende Antwort:
 
„Der ADAC hat schon vor Jahrzehnten diese Ultraschallpfeifen untersucht und kam zu dem Schluss, dass Wildtiere darauf nicht reagieren. Zu ähnlichem Ergebnis kommen auch verschiedene Untersuchungen aus den USA, wo diese Pfeifen populärer sind als hier.“
 
Wildunfallprävention
Den Wissensstand zur Wildunfallprävention wurden vom ADAC im Internet unter folgender Adresse veröffentlicht:
 
 
In dem Flyer sind gute Tipps, wie man Wildunfälle vermeiden kann. Hier einige ADAC-Tipps:
 
Aufmerksamkeit und vorsichtiges Fahren ist besonders im Herbst und Frühjahr in den Dämmerungsstunden wichtig.
Fuss vom Gas im Wald und an unübersichtlichen Wald- oder Feldrändern. Erhöhte Vorsicht auf neuen Strassen durch den Wald. Wildtiere ändern kaum vertraute Wege.
 
Wenn Wild auf der Strasse steht:
Abblenden, kontrolliert abbremsen und hupen.
Mit Nachzüglern rechnen. Wildtiere leben oft gesellig.
 
Wenn eine Kollision unvermeidlich ist:
Besser ein kontrollierter Aufprall als unkontrolliert ausweichen.
Im Ernstfall Lenkrad festhalten, geradeaus fahren und dabei bremsen.
 
Was Jagdpächter empfehlen
Kommen wir auf die eingangs gestellte Frage zurück. In dem Artikel der „Badischen Zeitung“ gaben 2 Jagdpächter aus dem Wiesental (Kreis Lörrach D) Tipps.
 
Zu bemerken wäre, dass es in Deutschland sehr viele Wildschweine gibt. In der Saison 2012/2013 wurden rund 645 000 Wildschweine getötet, in der Saison zuvor waren es 400 000. Gestiegen sind auch die Wildunfälle. Wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft meldete, gab es 258 000 Unfälle mit Wild.
 
Warum gibt es so viele Wildschweine? Nun, die Tiere können sich sehr schnell auf geänderte Lebensumstände einstellen. So profitieren die Borstentiere von der Umstellung der Landwirtschaft mit vermehrtem Maisanbau. „Mais mögen diese Tiere und in Maisfeldern können sie sich wunderbar verstecken“, erklärte Maulburgs Revierförster und Jäger Sven Hendrik Wünsch. Die Tiere finden im Wald in sogenannten Mastjahren viel Futter (z. B. Eicheln). Es ist jetzt klar, dass die Tiere dann vermehrt Nachwuchs haben. Auch die milden Winter der letzten Jahre waren für vermehrten Nachwuchs verantwortlich.
 
Tipps für Autofahrer: Manchmal hilft hupen. Bei rechtzeitigem Erblicken eines Wildtieres bremsen. Hat man keine Möglichkeit mehr zum Bremsen, Lenkrad gerade halten, bremsen und kein Ausweichmanöver starten. Bei Ausweichmanövern gab es in der Vergangenheit schwere Unfälle, wenn Autofahrer die Kontrolle über ihr Auto verloren hatten.
 
Weitere Vorgehensweise: Absicherung der Unfallstelle, Polizei rufen, die dann den zuständigen Jagdpächter verständigen.
 
Nun dürften wir auch ohne Wildwarngerät herumfahren und die Wildunfallprävention beherzigen. Ich kann mir vorstellen, dass Autofahrer, die auf ihr Wildwarngerät vertrauen, auch schneller herumfahren. Da wird eine Sicherheit vorgetäuscht.
 
Hinweis auf weitere Blogs mit Bezug auf Wildunfälle
 
Hinweis auf die vorangegangenen Recherche-Blogs
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst