Textatelier
BLOG vom: 14.08.2016

Klausenhof: Faszinierender Eindachhof von 1424

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 


Klausenhof
 

Kaum zu glauben, was mit einem alten Hotzenwaldhaus von 1424 passiert ist. Der Eindachhof, bei dem der Wohn- und Wirtschaftsteil unter einem strohbedeckten Dach sind, hiess „Thaddäushof“ und sollte abgerissen werden. Der Wehrer Architekt H. Richter erkannte die alte Bausubstanz und setzte sich mit der Gemeinde Herrischried und zuständigen Ämtern ein, diesen Hof zu erhalten. Das Haus wurde 1979/80 abgetragen, die einzelnen Teile nummeriert und 400 m entfernt wieder aufgebaut. Heute präsentiert sich der alte Hof als „Freilichtmuseum Klausenhof“ in Herrischried-Grossherrenschwand in einem prächtigen Zustand. Wenn man ein altes Bild von dem damals heruntergekommenen Gebäude betrachtet, kann man sich vorstellen, wieviel Arbeit in die Versetzung und Renovierung gesteckt wurde.

Am 06.08.2016 fuhr ich mit einem Wanderfreund aus unserer privaten Wandergruppe nach Grossherrenschwand, um die Glasbläserei, den Hof-Berg-Garten und das Freilichtmuseum in Augenschein zu nehmen. Der Klausenhof ist ohne Schornstein und hat vieles zu bieten. Wir tauchten in die Vergangenheit hinein und konnten uns überzeugen, wie mühsam und einfach das Leben früher war. Auch die von uns schon vergessenen alten Küchengeräte wurden hier dem Publikum präsentiert.
Wir sahen Kienspäne und „Deuchelbohrer“. Der Bohrer ist ein bis zu 4 m langes geschärftes Spiraleisen. Der Bauer trieb damit eine Höhlung in die Fichtenhölzer. Die ausgebohrten Holzstämme dienten als Wasserleitung.

Das Haus hat eine Besonderheit zu bieten, nämlich eine Hochsäulenkonstruktion mit Firststuden, den seitlichen Hochstuden und dem Katzenband. Nun, für mich waren diese Begriffe „böhmische Dörfer“. Laut Infoblatt las dich dann dies: „4 vom Fundament bis zum Dachfirst reichende Balken übernehmen das Gewicht des gesamten übrigen Gebälks. Eine beachtliche Leistung der Zimmerleute des 15. Jahrhunderts.“

 


Kachelofen mit Kunst
 

Auf unserer kleinen Entdeckungsreise durch das Haus kamen wir zuerst in die gute Stube. Hier befand sich ein hölzerner Tisch mit Stühlen und ein grüner Kachelofen mit der angebauten „Kunst“ (Art Nebenofen mit einer oder zwei treppenartig angeordneten gekachelten Bänken). Auf dem Kachelofen war ein hölzernes Gestell angebracht. Daran hingen einige wollene Strümpfe. An der Wand hing eine alte Schilduhr. In diesem Raum können sich seit einigen Jahren frischverliebte Paare trauen lassen.

In der Kammer nebenan lag ein Nachthemd auf dem Bett. Ich dachte mir, gleich kommt die Magd herein und schlüpft in das kalte Hemdchen. Auf einer Fensterbank entdeckte ich ein Waschlavor mit Wasserkrug und ein Stück Kernseife. Da hätte sich die Magd gleich waschen können.

In der Rauchküche
Bei unserem weiteren Gang durch das Erdgeschoss erreichten wir die russgeschwärzte dunkle Küche. Das war die einzige Feuerstelle im Haus. Der Rauch von der Feuerstelle in der Küche wurde nach oben bis in den Dachraum durch Schlitze geleitet. Um den Funkenflug abzufangen, wurde eine Rauch-Hurt über den Herd eingebaut. Die Hurte bestand aus geflochtenen und mit Lehm abgedichteten Rauchfang. Der Rauch verhinderte die Verbreitung von Ungeziefer und konservierte Speck, Schinken, Forellenfilets und Würste. Im Klausenhof war jedoch nichts Geräuchertes zu entdecken.  Man kann sich vorstellen, dass das Arbeiten in der Küche für die Hausfrau kein Vergnügen war.
Durch den Kachelofen wurde der heisse Rauch von der Küche aus geleitet.

 


Elternschlafzimmer
 

Schlafen im „Himmelbett“
Das Bauernehepaar schlief meistens in einem „Himmelbett“. Ein solches Doppelbett hatte folgende Funktion: Die obere Bespannung diente zum Auffangen von Staub, das durch die Ritzen der Decke fiel und die seitlichen Vorhänge zum Zuziehen, damit es nicht so kalt war. Im Klausenhof war kein Himmelbett aufzufinden, dafür 2 auseinanderstehende Betten, in der Mitte ein Nachttischchen. Die Betten im 1. Stock waren mit einem weissen Leinentuch und karierten Kissen und Bettdecken ausgelegt. Auf den Betten lagen 2 Nachthemden. An den Wänden befanden sich ein Kruzifix und  einige Heiligenbilder.
Im Haus gab es auch ein Kinderzimmer und noch weitere Zimmer für das Gesinde.
Die Schlafräume waren alle unbeheizt. In manchen Häusern wurden die Kammern über den darunter liegenden Viehstall eingerichtet und etwas erwärmt. Da bekam so mancher Bettbesucher das Schlottern. Aber es gab ja Bettflaschen oder ein wärmender Partner.

Die damaligen Bauern waren froh, wenn sie in Notzeiten eine Schnapsbrennerei betreiben oder mit der Seidenbandweberei in Heimarbeit ein Zubrot verdienen konnten. In einem Raum des Klausenhofs waren auch Brenngeräte zu sehen. Daneben ein Raum mit Spinnrädern.
Oft sassen die Frauen nach der Tagesarbeit am Spinnrad, am Flechttisch oder Webstuhl. Die Hausfrauenarbeit beinhaltete Kochen, Waschen, Backen, Kindererziehung und Altenpflege. Aber nicht nur das, auch Käse, Butter, Pflege des Gemüse- und Blumengartens waren Aufgaben der Frau. Die Männer waren mit handwerklichen Tätigkeiten im Haus, Feld- und Waldarbeiten beschäftigt.

Das Freilichtmuseum entwickelte sich in den letzten Jahren weiter. So wurde in einem Gebäude die aus dem 16. Jahrhundert stammende und funktionsfähige „Lindauer Säge“ (Klopfsäge) eingebaut, ein Kiosk am Eingang, eine Dorfschmiede nach altem Vorbild errichtet. Zu sehen ist auch ein Wagenschopf, ein kleines Backhaus und ein Bauerngarten. Zu bestimmten Zeiten sind auf der Freilichtbühne Klausenhof historische Dramen und Lustspiele zu sehen.

Nach diesem Eintauchen in die Vergangenheit bzw. alte Zeit wandten wir uns der Glaserwerkstatt beim Klausenhof zu. Hier sind eine Unmenge an Figuren, Vasen, Gläser ausgestellt. Ein Glasbläser fertigte gerade mit einer Glasmacherpfeife, die in einem Ofen auf über 1200 °C erhitzte Glasschmelze, zu einem Kunstwerk. Das Blasen von Gläsern und Vasen geschieht noch in derselben Technik wie früher.

Als Abschluss unserer Exkursion lustwandelten wir im Hof-Berg-Garten und erfreuten uns an unglaublich vielen Pflanzen. Darüber folgt ein gesonderter Blog.

Internet
www.herrischried.de
www.glaswerkstatt-herrischried.de
www.freilichtbuehne-klausenhof.de

Öffnungszeiten Klausenhof
Januar bis April: Sonn- u. Feiertag 14.30 – 17.30 Uhr
Mai bis Oktober: Mittwoch, Samstag, Sonn- und Feiertag 14.30 -17.30 Uhr
November & Dezember: Auf Anfrage
Preise: Erwachsene 3 Euro, Erwachsene mit Gästekarte: 2,50 Euro, Kinder 1 Euro.

Literatur
Oeschger, Bernhard; Weeger, Edmund: „Schwarzwaldleben anno dazumal“, DRW-Verlag, Stuttgart 1989.

 


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