Textatelier
BLOG vom: 23.11.2016

Die gefallene Wodanseiche bleibt im Gedächtnis

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 


Die Wodanseiche, am 30.07.2009 fotografiert
 

Am 30.07.2009 wanderten wir von Nebenau (Ortsteil von Kandern) kommend in Richtung Scheidegg. Am Munzenbachweg sollten wir ein einmaliges Naturdenkmal, die Wodanseiche, kennenlernen. Damals stand der sehr alte und mächtige Baum noch aufrecht da, nur an 2 Stellen waren Äste abgebrochen. Schuld war der Orkan „Lothar“, der im Dezember 1999 bei uns wütete und auch an der Eiche rüttelte. Zum Glück habe ich in meinem Archiv eine Aufnahme von damals gefunden. Das Foto ist ein Zeitdokument.

Am 17.11.2016 war es wieder so weit. Wir wollten auf denselben Wegen eine Wanderung unternehmen und diese mächtige Eiche in Augenschein nehmen.

Als Wanderfreund „Kanu-Heinz“ auf dem Munzenbachweg voraus lief, rief unser Wanderorganisator Toni von Lörrach ihm zu: „Siehst Du schon die Wodanseiche?“ Er antwortete mit einem „Nein“. Kurz danach sahen wir in der Ferne einen dicken Baumstamm liegen. „Die wird doch nicht umgefallen sein“, dachte ich mir. Als wir näher kamen, sahen wir das Malheur. Die Eiche lag zersägt am Boden. Ein unterer Teil des zersägten Baumes wurde aufgerichtet und mit einem Dach versehen. Daneben waren 2 Schilder mit den Massen der Stieleiche angebracht. Hier die Daten:

Alter: 330 Jahre
Stammdurchmesser in Brusthöhe:  1,61 m
Stammumfang in Brusthöhe: 5,06 m
Baumhöhe:  30 m
Stammvolumen: 18 m3

Der andere untere Stammteil lag am Boden und der ForstBW (Forst Baden-Württemberg) hatte Schilder an einigen Jahresringen angebracht. Am obersten Schild war dies zu lesen: „Was sich zu Lebzeiten der Wodanseiche in der Welt ereignete und wozu Holz, Früchte und Rinde der Eiche in den jeweiligen Epochen genutzt wurden.“
Hier einige Schilder mit Hinweisen zur Nutzung:

1713: Eichen wurden vielfach genutzt – schon nach 20 Jahren wurden sie für Brennholz, ihre Rinde für die Lohgerberei gewonnen.

1789: Die Eicheln sind als Viehfutter begehrt – die Schweinemast ist weit verbreitet. Heute ist Eichelschinken Luxus – im 18. Jahrhundert war die Waldweide oft notwendig, um die Ernährung sicherzustellen.

1817: Zu dieser Zeit werden viele Eichen für grössere Konstruktionen genutzt, so z. B. für den Haus- und Schiffsbau oder auch für Holzbrücken, wie in Bad Säckingen.

1848: Der Gerbstoff, der in der Eichenrinde enthalten ist, leistet wichtige medizinische Dienste bei der Wundheilung und bei Durchfallerkrankungen.

1918: In knappen Zeiten waren die Früchte der Eicheln ein wichtiges Ersatzgut. Gewässert und getrocknet wurden daraus Eichelmehl und Eichelkaffee hergestellt.

1969: Beliebt sind damals Eichenmöbel (Schrankwände in Wohnzimmern).

1989: Eichenholz ist beliebt bei französischen Fassproduzenten, die auf die steigende Nachfrage von in Eichenfässern ausgebauten Barriqueweinen reagierten.

Noch einige Bemerkungen zum Orkan Lothar, der über Südwestdeutschland fegte. Im Röttlerwald bei Lörrach lagen danach 47 % der Buchen und Eichen am Boden. Die Krone der Wodanseiche wird geschädigt. In der Folge dringt ungehindert Wasser in den Stamm ein. So war es nur eine Frage der Zeit, bis der mächtige Baum umfiel. Das war im Juni 2012.
Die danach aufgestellten Tafeln sollten an das bekannte Naturdenkmal erinnern. Der Laubbaumriese galt als Sehenswürdigkeit und war auch in Wander- und Touristikkarten als Markierungspunkt aufgeführt.

 


Querschnitt durch den Stamm der Wodanseiche
 

Wie kam die Eiche zu ihrem Namen?
Am linken Wegesrand lagen die dünneren Stämme und Äste. Auf einer kleinen Tafel wurde über die Namensnennung Näheres beschrieben.
Die Germanen waren überzeugt, die Eiche wäre Wohnung der Götter. Die Wodanseiche vom Hülfensberg bei Kassel wurde zum Heiligtum eines germanischen Stammes. Bonifatius soll diesen Baum 923 u. Z. gefällt und aus seinem Holz eine christliche Kapelle errichtet haben.  „Er wurde nicht beim ersten Axthieb vom Blitz erschlagen – und wertete das als Beweis für die Nichtexistenz der germanischen Götter (…) Deutet der Name in Wollbach auf die örtliche Traditionen, auf Grenz-, Zehnt- oder Gerichtsbäume hin, die bis zu den Germanen zurückgehen?“

Es wird vermutet, dass die Eiche alleine auf einer Waldlichtung stand und die Eicheln vom Röttler Lehensgut „Rüttehof“ für die Schweinemast genutzt wurden. Eine Abbildung auf der linken Seite des Textes ist auf einer mittelalterlichen Darstellung der Austrieb der Schweine in den Wald zu sehen.

„Eine andere Möglichkeit wäre, dass der stattliche Baum dem patriotischen Kult um die Eiche dienen musste. In der Romantik wurde die Eiche zum typisch deutschen Wappenbaum. Standhaftigkeit, Tugend, Wahrheit und Stolz wurden ihr zugeschrieben – entsprechend verwendeten die Romantiker diese Eigenschaften zur Charakterisierung des typisch deutschen Naturells.“

Es ist dem Wollbacher Ortschaftsrat - Wollbach ist ein Ortsteil von Kandern -  mit dem Ortsvorsteher Erich Gresslin zu danken, dass die gefallene Wodanseiche im Gedächtnis bleibt. Die schöne Gestaltung der Tafeln und Schilder durch den ForstBW ist sehr gelungen und dürfte so manchen Wanderfreund erfreuen. Besonders eindrucksvoll ist  die Abbildung des gefallenen Baums auf den Wanderweg. Das sieht jeder, wie imposant die Wodanseiche war.

Internet
www.badische-zeitung.de („Eine Tafel zur Erinnerung“, Artikel vom 27.06.2012; mit einer Abbildung der gefallenen Eiche auf den Wanderweg).
www.forstbw.de

 


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