Textatelier
BLOG vom: 25.09.2017

Gegenstände und Skulpturen aus Baumkröpfen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 


Kropf an einer Platane
 

Auf unseren Wanderungen entdecke ich immer wieder Wucherungen an Baumstämmen. Diese werden als Baumkröpfe, Holzknollen und die kleineren Gebilde Gnubbel und von der Künstlerin Annedörte Puttfarken Baumlinge genannt. In einem Blog vom 09.02.2017 („Pflanzen-Kuriositäten 2: Baumkröpfe und Baumkrebs“) beschrieb ich u.a. die Entstehung dieser Baumkröpfe. Ich erkundigte mich bei einem Fachmann, der mir schon öfters bei Identifizierungen botanischer Phänomene behilflich war.

 


Querschnitt durch einen Baumkropf
 

Prof. Dr. Bertold Hock, der früher in Freising-Weihenstephan beschäftigt war, hat die folgende Erklärung: Er vermutet, dass die Holzkropfbildung durch Austreiben schlafender Augen (ruhende Knospen) entstanden ist.  Die Störung dieses Vorgangs führt leicht zur Überwallung und damit zur Knollenbildung.
Auch auf Wurzeln können infolge nichtaustreibender Wurzelknospen Knollen entstehen.
Die Holzkröpfe bilden sich auch nach Entfernung von Zweigen oder anderen Verletzungen. Dies beobachtete ich am  20.09. 2017 auf dem Dinkelberg bei Schopfheim-Wiechs an Obstbäumen und zwar dort, wo überflüssige Äste abgesägt wurden. Im Laufe der Zeit entstanden Überwallungen und letzten Endes ein Holzkropf.

Rita Lorenzetti Hess und ihr Mann Primo haben Holzkröpfe an Platanen gesehen. Rita teilte mir in einer E-Mail vom 20.09.2017 mit, dass die Kropfbildung nach Entfernung von Ästen entsteht. Je älter die Bäume werden, desto grösser der Kropf. „An unserer Strasse in Zürich sind rechts und links solche Bäume gesetzt worden. Da sie zu wenig Raum bekommen haben, der ihrer Art entsprechen würde – werden sie jeden Frühling gestutzt.“
Primo hat einen Kropf in seiner Werkstatt aufgeschnitten. Rita sandte mir eine polierte Scheibe zu. Wie man in der Abbildung ersehen kann, hat die Scheibe eine schöne Maserung. „Die Scheibe konnte mir zeigen, wie der Kampf im Baum Wege suchen musste, weil die Äste abgeschnitten waren“, so Rita.

 


Aus einem Kirschbaumkropf geschnitzt
 

Ein Meisterwerk aus der Natur
Unter www.baumling.de zeigt Annedörte Puttfarken ihre Werke aus Baumlingen. Die Baumlinge sind in der Regel klein, der grösste hatte einen Durchmesser von 12 cm. Diese Grösse ist sehr selten. Sie bricht entweder den Baumling von Hand vom Baumstamm ab oder nimmt einen Hammer zur Hilfe. Ein sanfter Schlag genügt, um einen Baumling abzuschlagen. „Sie sind vergänglich, d. h. sie tauchen auf und verschwinden wieder“, wie mir die Künstlerin in einer E-Mail vom 22.09.2017 schrieb. Sie schleift die Rinde vorsichtig ab, um eine perfekte Oberfläche zu bekommen. Dann folgt die weitere Bearbeitung (schleifen, ölen, wachsen, polieren).

Sie fertigt schöne Gegenstände aus Baumlinge wie Griffe für Messer, Flaschenöffner, Schalen, Schuhlöffel, Aschenbecher, Türstopper, Handschmeichler, Verzierungen auf Haarspangen, Schmuckstücke in Form von Ohrringen und Kettenanhängern. „Jedes ist ein faszinierendes Meisterwerk der Natur und ein einzigartiges Stückchen Holz.“

Durch das Buch von Armin Minet „Fundstücke Schmuckstücke“ hat sie die „Gnubbel“ kennengelernt und verschiedene Gegenstände daraus hergestellt.

Einmalige schöne Skulpturen
Im Haus der 92-Jährigen Ingeborg Steppberger, die ich in einem Artikel über Schmetterlinge kürzlich vorstellte, sind einige Werke aus Baumkröpfen zu sehen. Die Kunstwerke schuf ihr verstorbener Mann Eugen Steppberger (1925-2011) in seiner Freizeit während des Berufslebens und nach seiner Pensionierung 1988. Er war Textilingenieur in der Firma Brennet in Hausen (Wiesental). Er hat nicht nur geschnitzt, sondern auch Putten restauriert, schöne Katzenbilder und andere Aquarelle geschaffen.

Die Baumknollen stammten von einem alten Kirschbaum, der in der Nähe von Schopfheim-Raitbach wuchs. Eugen Steppberger schnitzte ferner eine Madonna aus Lindenholz und weitere Kunstwerke aus Arven- und Birnbaumholz.

Die Schnitzereien sind in meinen Augen grandios und sehr eindrucksvoll. Frau Steppberger konnte mir nicht sagen, wie lange ihr Mann an der Ausarbeitung eines Gesichtes gearbeitet hat, zumal er die Kunstwerke während seiner Freizeit und als Pensionär schuf und sich Zeit liess.

Zusammen mit seiner Frau unternahm Eugen Steppberger viele Wanderungen.  Dabei entdeckte er so manchen Baumkropf  und andere Baumphänomene. Seine Frau fotografierte bei den Touren mit ihrer Spiegelreflexkamera ungewöhnliche Bäume. Während eines Besuches zeigte sie mir ein grossformatiges Album mit eindrucksvollen Fotografien. Auf den Bildern waren alte Bäume und Baumstümpfe, die Figuren ähnelten, zu sehen. Sie fotografiert mit ihrer Spiegelreflexkamera auch heute noch mit Begeisterung Pflanzen, Schmetterlinge und Landschaften. Sie ist trotz ihres Alters eine erstaunlich aktive und überaus freundliche Dame.

Fotos: Rita Lorenzetti-Hess (Baumkropf an einer Platane), Heinz Scholz.

 


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