Textatelier
BLOG vom: 06.05.2005

Globalisierung, OECD, G10 und die Beruhiger vom Dienst

Autor: Walter Hess

Ist der Schweizer Bundesrat Joseph Deiss, Präsident der G-10, jetzt, nach der OECD-Ministerkonferenz in Paris, eigentlich „beunruhigt“ (laut Landwirtschaftlichem Informationsdienst lid vom 3. Mai 2005) oder aber „zufrieden über Agrarfortschritte“ (laut SDA und „Basler Zeitung“ vom 4. Mai 2005)?

Wahrscheinlich ist er schon etwas beunruhigt. Doch darf er das aber als eifriger Globalisierer nicht zeigen. Und so müssen denn minime Fortschritte zum Anlass genommen werden, gute Miene zum bösen globalen Spiel zu machen.

Das Volk wird mit Verallgemeinerungen abgespeist; die Medien nehmen kaum Notiz davon: Die zentralen Themen des jüngsten OECD-Ministerrats waren laut Eidgenössischem Volkswirtschaftsdepartement (EVD) „die Auswirkungen der Globalisierung auf die Wirtschaftsaussichten, der Einfluss der weltweiten wirtschaftlichen Verflechtung (im amtlichen Communiqué zwar als Verpflechtung, wohl mit Anklang an Verpflichtung, bezeichnet) auf die Strukturanpassung, die Position der OECD-Länder in Bezug auf die Entwicklungsproblematik und das multilaterale Handelssystem.“ Genaueres weiss man nicht, nur dies: Die Globalisierung läuft, läuft und läuft.

Die OECD ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die Spitzenorganisation der westlichen Industrieländer, zu der 30 Mitglieder gehören, welche den wirtschaftlich weniger Entwickelten den Weg und sie in die Schranken weist. Es handelt sich dabei um eine wichtige internationale Institution, die sich neben dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation (WTO) mit der Sicherung der US-Vorherrschaft befasst.

Zu WTO und OECD schreibt Egon Matzner (www.renner-institut.at) im Buch „Monopolare Weltordnung“: „(Der) Dollar als Weltwährung ermöglicht es den Vereinigten Staaten, ‚über ihre Verhältnisse’ zu leben. Denn sie können ihre Schulden in eigener Währung bezahlen, über den Dollarkurs mitbestimmen und damit über den Preis, zu dem sie Kredite aufnehmen und zurückzahlen. Kein anderes Land der Welt könnte sich eine so rasante Zunahme des Leistungsbilanz-Defizites und der Auslandsverschuldung erlauben ohne durch den IMF (IWF) sanktioniert zu werden.“ Mit anderen Worten: Die Schulden zahlen andere, die darob verarmen.

Gewissermassen zur Begrenzung der Schäden, die bei der US-Dominanz unvermeidlich sind, wurde 2003 im Vorfeld der WTO-Ministertagung von Cancún auf Schweizer Initiative die Gruppe G10 gegründet, die sich aus den Nettoimporteuren von Agrarprodukten zusammensetzt: Bulgarien, Island, Israel, Japan, Korea, Liechtenstein, Mauritius, Norwegen, Schweiz und Taipeh. Deren Anliegen aber finden nicht überall Gehör, obschon sie 3,5 % der Weltbevölkerung und 13 % der weltweiten Agrarimporte vertritt und somit (laut Deiss) eigentlich keine „quantité négligeable“ wäre. Bundesrat Deiss hat sich am Dienstag, 3. Mai 2005, am Rande der OECD-Ministerkonferenz in Paris, mit den übrigen 9 Landesvertretern der Nettoimporteure von Agrarprodukten getroffen. Er war zuerst beunruhigt und erzielte dann einen scheinbar beruhigenden Scheinerfolg.

Der Fortschritt mit Valium-Wirkung besteht darin, dass die G10 (G-10) an einer Runde des allmächtigen Fünferklubs (USA, EU, Australien, Brasilien und Indien) teilnehmen durfte. Auch an den „Konsultationen“ der Grossen 5 soll die kleine G10 in Zukunft „teilnehmen können“. Ob diese Teilnahme auch eine Mitsprache umfasst, geht aus den vorliegenden Meldungen nicht hervor. Aber bei der Ausarbeitung der Dossiers ist die Koordination nach den Feststellungen der Schweizer Delegation ohnehin mangelhaft. Da sind jedenfalls so oder so keine grossen Erwartungen berechtigt.

Und deshalb freut man sich wenigstens über kleine „Durchbrüche“, zum Beispiel wenn bei der Berechnung der Agrarzölle in Zukunft der Wert und nicht das Gewicht als Grundlage genommen wird. Das wurde gerade beschlossen. Wie in der EU erfährt man zwar einiges an Details, etwa über den zugelassenen Krümmungswinkel von Bananen und Speisegurken, kaum aber etwas über die Hauptziele: Die genormte, total gelenkte Einheitswelt, in der kein Platz für länderspezifische und regionale Eigenarten mehr ist und in der alles eingeebnet wird, weil die Bewirtschaftung von Ebenen einfacher und rationeller ist. Verluste nimmt man in Kauf.

In meinem soeben auf dem Markt erschienenen, unten erwähnten Buch sind die Mittel und die Folgen dieser neoliberalen Globalisierung aufgelistet. Ich empfehle jedermann sehr, sich mit solchen Vorgängen eingehend zu befassen.

Anhang

Buchhinweis

Hess, Walter, und Rausser, Fernand: „Kontrapunkte zur Einheitswelt. Wie man sich vor der Globalisierung retten kann“, Verlag Textatelier.com GmbH, CH-5023 Biberstein 2005.

Angaben über die OECD

Die 30 OECD-Mitgliedsländer sind: Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Korea, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Vereinigtes Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika. Die OECD ist ein Globalisierungsinstrument, das sich aus der ehemaligen OEEC, der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit heraus entwickelt hat. Diese war gegründet worden, um die amerikanische und kanadische „Hilfe“ im Marshall Plan für den Wiederaufbau Europas nach dem 2. Weltkrieg zu organisieren und zu verwalten; die „Hilfe“ bestand im Wesentlichen in der Durchsetzung amerikanischer Werte und Produkte. Seit die OECD 1961 das Erbe der OEEC antrat, hat sie sich dem Ziel gewidmet, in ihren Mitgliedsstaaten starke und leistungsfähige Volkswirtschaften nach amerikanischen Vorgaben aufzubauen, die Effizienz der Märkte und Verwaltungen zu verbessern, den freien Markt auszuweiten und die Entwicklung insgesamt sowohl in Entwicklungsländern, als auch in industrialisierten Ländern zu fördern, soweit es den US-Handelsinteressen förderlich ist. Das ist zwar offiziell nicht expressis verbis genau so formuliert, ergibt sich aber aus den bisherigen Beobachtungen zweifelsfrei.

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